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OLG München, Urteil vom 08.10.1993 – 23 U 3365/93

GmbHG §§ 15, 34, 47, 48 – wechselseitige Einziehung einheitliche AusspracheBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
wechselseitige Einziehung einheitliche Aussprache
I 2-Personen-GmbH

1. Betreiben bei einer Zwei-Mann-GmbH beide Gesellschafter gegenseitig die Einziehung des Gesellschaftsanteils wegen jeweils gesellschaftswidrigem Verhalten des anderen Teils, ist das Einziehungsverfahren jedenfalls dann unzulässig und sind die gefassten Beschlüsse nichtig, wenn bei der Abstimmung in der Gesellschafterversammlung die gegenseitigen Anträge nicht einheitlich behandelt und besprochen werden. Durch die gleichzeitige Behandlung der gegenseitigen Einziehungsbeschlüsse hat jeder Gesellschafter wenigstens formal die Möglichkeit, seinen Standpunkt zu erläutern und auf das Abstimmungsverhalten des anderen einzuwirken. Es kann jedenfalls nicht davon abhängen, an welcher Stelle der Tagesordnung die jeweiligen Anträge stehen.

2. Zwar kann die Einziehung eines Geschäftsanteils eines Mitgesellschafters aus wichtigem Grund wegen dessen gesellschaftswidrigem Verhalten grundsätzlich auch von einem Gesellschafter betrieben werden, der sich seinerseits gesellschaftswidriges Verhalten hat zuschulden kommen lassen (BGH WM 1990, 677/678; vgl. auch Scholz/Westermann, a.a.O., RdNr. 41 zu § 34). Wenn die gegenseitig vorgetragenen Sachverhalte jedoch jeweils nicht völlig einer Grundlage entbehren und zwischen beiden Gesellschaftern unstreitig ein tiefgreifendes Zerwürfnis besteht, ist zu erwägen, ob die Gesellschafter nicht statt der beabsichtigten Einziehung auf die Auflösungsklage zu verweisen sind.

3. Der Ausschluss eines Gesellschafters aus wichtigem Grund setzt voraus, dass den übrigen Gesellschaftern die Fortführung der Gesellschaft mit dem betreffenden Mitglied infolge seines Verhaltens oder seiner Persönlichkeit nicht mehr zuzumuten ist, seine weitere Mitgliedschaft also den Fortbestand der Gesellschaft unmöglich macht oder doch ernstlich gefährdet (Baumbach/Hueck, GmbHG, 15. Aufl., RdNr. 3, Anh. § 34). Maßgebend ist die Abwägung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles. Die Gesamtumstände sind insbesondere unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, ob die darin zu sehende Verletzung der Gesellschafterpflichten die Fortsetzung der Gesellschaft unzumutbar macht (BGHZ 80, 346/350). Insoweit kann nicht isoliert auf die Person des auszuschließenden Gesellschafters abgestellt werden. Zu berücksichtigen ist insbesondere auch, ob sich Mitgesellschafter – und gerade derjenige, der den Ausschluss betreibt – ihrerseits gesellschaftswidrig verhalten haben (BGH WM 1990, 677/678 m.w.N.).

4. Diese Grundsätze gelten auch sinngemäß für die Frage, ob ein Gesellschafter als Geschäftsführer abberufen werden kann.

5. Ein Vergleich, der die Verpflichtung enthält, dass ein Gesellschafter seinen Geschäftsanteil an einen anderen Gesellschafter oder an einen zu benennenden Dritten abzutreten hat, bedarf gem. § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG der notariellen Beurkundung.

Gegenstand der Klage ist die Wirksamkeit eines Gesellschafterbeschlusses; Gegenstand der Widerklage die Wirksamkeit eines Vergleichs.

Der Kläger und S sind mit jeweils hälftigen Anteilen die alleinigen Gesellschafter der Beklagten, die u.a. Schulungen auf dem Gebiet der Informationsverarbeitung durchführt. Nach dem Gesellschaftsvertrag (Anlagen K 1, K 2 zu Bl. 1/30 d.A.) sind beide Gesellschafter Geschäftsführer mit Gesamtvertretung. Die Beklagte hat ihren Sitz in M ; in B besteht eine Zweigniederlassung. Dabei wurde faktisch der M Betrieb durch den Kläger, die B Niederlassung durch S geführt. Im Frühjahr 1992 kam es zwischen beiden Gesellschaftern zum Streit mit gegenseitigen Schuldzuweisungen. Dabei warf S dem Kläger im wesentlichen vor, er habe verschiedene Geschäfte in München eigenmächtig ohne die erforderliche Absprache mit ihm getätigt. Der Kläger wiederum machte u.a. geltend, S betreibe in B gesellschaftswidrige Konkurrenz.

Mit Beschluß der Gesellschafterversammlung vom 11.5.1992, einem Termin, auf den sich beide Gesellschafter geeinigt hatten, zustande gekommen aufgrund alleiniger Stimmrechtsausübung durch S, wurde der Geschäftsanteil des Klägers mit sofortiger Wirkung eingezogen und auf die Gesellschaft übertragen. Ferner wurde die Bestellung des Klägers zum Geschäftsführer mit sofortiger Wirkung widerrufen. Nach dieser Beschlußfassung wurden mit einem weiteren Beschluß, wiederum zustande gekommen aufgrund alleiniger Stimmrechtsausübung durch S die weiteren Tagesordnungspunkte, die u.a. die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einziehung
Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
von S und dessen Entlassung als Geschäftsführer vorsahen, abgesetzt und in die nächste Gesellschafterversammlung vertagt. Wegen der Einzelheiten wird auf das Protokoll Bezug genommen (Anlage K 31 zu Bl. 1/30 d.A.).

Der Kläger hat geltend gemacht, die Beschlüsse vom 11.5.1992 seien aus formellen und materiellen Gründen nichtig. Die sich widersprechenden und miteinander unvereinbaren wechselseitigen Anträge auf Einziehung der Geschäftsanteile und Abberufung als Geschäftsführer hätten nur einheitlich und gleichzeitig, nicht aber in einer die Entscheidung präjudizierenden willkürlichen Reihenfolge behandelt und verbeschieden werden dürfen. Sachlich seien die gegen ihn erhobenen Vorwürfe entweder unrichtig oder aber durch das Verhalten von S veranlaßt; jedenfalls aber sei die Berufung hierauf im Hinblick auf das eigene vertragswidrige Verhalten von S treuwidrig. Dieser betreibe in B mit Hilfe zweier dort von ihm gegründeter Firmen Konkurrenz, die zu einem starken Umsatzrückgang der B Niederlassung geführt habe. Alleinige Gesellschafterin dieser Firmen sei seine Ehefrau; als Geschäftsführer fungiere der bei der Beklagten angestellte Mitarbeiter Sch als Strohmann. Für die notwendige Mitwirkung bei Angelegenheiten der M Niederlassung sei S kaum erreichbar gewesen. Auch habe er beim Arbeitsamt keine weiteren Bildungsmaßnahmen durch Einreichung sogenannter Maßnahmebögen mehr für die Beklagte angemeldet.

Der Kläger hat beantragt,

die Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der
Beklagten vom 11.5.1992 zu den Tagesordnungspunkten
1 – 2, mit denen beschlossen wurde,
I. Top 1:
1. Der Gesellschaftsanteil des Herrn P in Höhe
von DM 25.000,– wird gem. Ziff. 2 des Gesellschaftsvertrages
mit sofortiger Wirkung durch den
Geschäftsführer S eingezogen.
2. Der Geschäftsanteil wird auf die Gesellschaft übertragen.
3. Der Geschäftsführer S wird beauftragt,
eine Abfindungsbilanz aufzustellen und den Abfindungsbetrag
für die Anteile zu ermitteln.
II. Top 2:
Die Bestellung des Herrn P zum Geschäftsführer
wird aus wichtigem Grund mit sofortiger Wirkung
widerrufen.
III. Die Top 2 a – 15 werden abgesetzt und auf der nächsten
Gesellschafterversammlung behandelt,
für nichtig zu erklären.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat sich darauf berufen, die Beschlüsse seien ordnungsgemäß zustande gekommen. Materiell komme es nur darauf an, ob die zugrundeliegenden Verfehlungen des Klägers zuträfen und nicht, ob S gegebenenfalls auch Verfehlungen zur Last gelegt werden könnten. Im übrigen habe der Kläger Anfang 1992 mit dem Ziel einer einvernehmlichen Trennung der Gesellschaft einer Befreiung vom Konkurrenzverbot zugestimmt. Die Beschlüsse seien gerechtfertigt, weil der Kläger Mitarbeitern des Arbeitsamtes habe Vorteile zukommen lassen oder dies jedenfalls versucht habe. In Leipzig habe er ohne Zustimmung einen Zweigbetrieb eröffnet und 5 Mitarbeiter eingestellt. Ferner habe er über Bankkonten ohne die erforderliche Zustimmung verfügt.

Die Beklagte hat an S den Streit verkündet; dieser ist nicht beigetreten.

Das Landgericht München I hat mit Endurteil vom 18.12.1992 der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Die streitgegenständlichen Beschlüsse seien schon aus formellen Gründen nichtig, weil in der Behandlung der Tagesordnungspunkte ein schwerwiegender Verstoß gegen die Teilnahmerechte des Klägers zu sehen sei. Die wechselseitigen Abberufungsanträge hätten zumindest in der Aussprache zusammengefaßt und einheitlich behandelt werden müssen.

Mit ihrer Berufung macht die Beklagte geltend, das Landgericht habe die streitgegenständlichen Beschlüsse zu Unrecht für nichtig erklärt. Dabei stützt sie die Berufung in erster Linie auf einen – ihrer Ansicht nach – zwischen den „Parteien“ abgeschlossenen Vergleich. Mit Schreiben vom 14.4.1993 hatte nämlich der Klägervertreter dem Beklagtenvertreter einen Vergleichsvorschlag unterbreitet, wonach u.a. der Kläger seine Gesellschaftsanteile an S gegen eine Abfindung abtreten sollte. Im Zuge des Vergleiches sollten sämtliche anhängigen Streitigkeiten von den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt werden. Wegen der Einzelheiten wird auf den Text des Schreibens (Anlage zu Bl. 281/286 d.A.) Bezug genommen. Diesen Vergleichsvorschlag nahm der Beklagtenvertreter noch am selben Tag an und bestätigte die Annahme am nächsten Tag schriftlich. Die Beklagte macht geltend, durch diesen Vergleich habe sich die Hauptsache erledigt. Eine notarielle Form nach § 15 Abs. 4 GmbHG sei nicht erforderlich. Zum einen gelte der Formzwang nicht für Übertragungen der vorliegenden Art; zum anderen sei die Übertragung auch bereits vollzogen. Unabhängig davon seien die Beschlüsse auch formell rechtmäßig; der Kläger habe auf eventuelle Formvorschriften verzichtet. Angesichts der vom Kläger begangenen Verstöße, insbesondere seiner eigenmächtigen Geschäftsführung, sei die Einziehung des Anteils gerechtfertigt. Hinsichtlich des weiteren Vortrags wird auf die Berufungsbegründung (Bl. 239/253) und den Schriftsatz vom 9.9.1993 (Bl. 281/286 d.A.) Bezug genommen.

Die Beklagte beantragt:

I. Das Urteil des Landgerichts München I vom
18.12.1992 wird aufgehoben.
II. Es wird festgestellt, daß zwischen dem Kläger und
Herrn S am 14.4.1993 folgender Vergleich
zustande gekommen ist:
1. Herr P tritt seine Gesellschaftsanteile
an der an Herrn S oder
eine von S zu nennende dritte
Person gegen Zahlung eines Abfindungsbetrages in
Höhe von DM 2.000.000,– ab.
2. Das Gewinnbezugsrecht für die Geschäftsanteile
geht ab dem 1.1.1991 auf Herrn S über.
3. Herr P legt sein Amt als Geschäftsführer
mit sofortiger Wirkung nieder, er wird an
allen noch notwendigen rechtsgeschäftlichen Erklärungen
sowie Handlungen in erforderlichem Umfang
mitwirken.
4. Sämtliche anhängigen Streitigkeiten werden von
den Parteien übereinstimmend für erledigt erklärt.
5. Es steht Herr S darüber hinaus frei,
sämtliche Gesellschafter oder Firmen
weiter zu betreiben oder in sonstiger Weise zu
handhaben.
6. Mit Erfüllung dieser Vereinbarung sind alle
wechselseitigen Ansprüche zwischen den Parteien
– ob bekannt oder nicht bekannt – erledigt.
III. Es wird festgestellt, daß die Hauptsache aufgrund
des in Ziffer II. erwähnten und am 14.4.1993 abgeschlossenen
Vergleichs erledigt ist.
Hilfsweise und höchstvorsorglich:
IV. Die Klage wird abgewiesen.
Hilfsweise und höchstvorsorglich Vollstreckungsschutz.

Der Kläger beantragt

die Zurückweisung der Berufung und die Abweisung
der Widerklage.

Die Widerklage sei schon deshalb unbegründet, weil ein entsprechender Gesellschafterbeschluß fehle. Der Vergleich vom 14.4.1993 sei jedenfalls formunwirksam. Das Landgericht habe zu Recht die Nichtigkeit der streitgegenständlichen Beschlüsse angenommen. Soweit der Kläger Mitarbeiter eingestellt und Überweisungen getätigt habe, sei dies betriebsnotwendig gewesen. Hinsichtlich des weiteren Vortrags wird auf die Berufungserwiderung (Bl. 262/280 d.A.) Bezug genommen.

Die Berufung der Beklagten ist entsprechend den Feststellungen in der Sitzungsniederschrift vom 17.9.1993 statthaft und auch im übrigen zulässig. Ebenso ist der im Wege der Widerklage erhobene Feststellungsantrag zulässig. In der Sache jedoch hat weder die Berufung noch die Widerklage Erfolg. Das Landgericht hat zu Recht entschieden, daß die streitgegenständlichen Beschlüsse der Gesellschafterversammlung der Beklagten vom 11.5.1992 nichtig sind. Der von der Beklagten behauptete Vergleich zwischen dem Kläger und S vom 14.4.1993 ist formunwirksam.

I.

Der Feststellungsantrag der Beklagten auf Ausspruch der Nichtigkeit des Vergleichs vom 14.4.1993 ist als Zwischenfeststellungswiderklage nach § 256 Abs. 2 ZPO zulässig; wegen § 523 ZPO bedarf es insoweit keiner Zulassung nach § 530 Abs. 1 ZPO (BGHZ 53, 92). Die Frage der Wirksamkeit des Vergleichs ist jedenfalls in Teilbereichen vorgreiflich für das streitgegenständliche Verfahren. Auch wenn die Beklagte nicht Partner des Vergleichsvertrages ist, so kann sie doch dem Kläger den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung entgegenhalten wenn sich dieser wirksam verpflichtet hat, seinen Gesellschaftsanteil entweder auf S zu übertragen oder es bei der von der Beklagten behaupteten wirksamen Einziehung des Anteils zu belassen. Die behauptete Vereinbarung zwischen dem Kläger und S enthält nach der Auslegung aller zugrundeliegenden Umstände auch Elemente eines Vertrages zu Gunsten Dritter – hier der Beklagten – nach § 328 Abs. 1 BGB. Immerhin war im Vergleich vorgesehen, daß alle anhängigen Verfahren, also auch die, an denen die Beklagte beteiligt ist, für erledigt zu erklären sind.

II.

Der vom Kläger und S geschlossene Vergleich vom 14.4.1993 ist jedenfalls formunwirksam (§§ 15 Abs. 4 GmbHG, 125 BGB). Der Vertrag enthält bereits dem Wortlaut nach die Verpflichtung, daß der Kläger seinen Anteil entweder an S oder an einen zu benennenden Dritten abzutreten hat. Die Argumentation der Beklagten, eine derartige Regelung werde nicht vom Gesetzeszweck der Formvorschrift erfaßt, trifft nicht zu. Zwar geht der Zweck des Formerfordernisses dahin, den leichten und spekulativen Handel mit GmbH- Anteilen auszuschließen (BGHZ 19, 69/70 ff.; 75, 352/353). Die Intention des Gesetzes aber, die Umlauffähigkeit der Geschäftsanteile einzuschränken, um die Lösung des Gesellschafters aus der Mitgliedschaft und den Handel mit Geschäftsanteilen zu erschweren, greift selbstredend auch dann, wenn ein Gesellschaftsanteil von einem Mitgesellschafter auf einen anderen übertragen werden soll. Eine andere Auslegung ließe sich mit dem eindeutigen Wortlaut der Formvorschrift nicht in Einklang bringen, einmal abgesehen davon, daß der gegenständliche Vergleich auch die (fakultative) Übertragung an einen Dritten vorsah.

Auf die zitierte Rechtsprechung des BGH, die in bestimmten Fällen aus dem Sinn und Zweck der Formvorschrift eine Einschränkung des Anwendungsbereichs vornimmt, kann sich die Beklagte nicht berufen. Hier ging es jeweils nicht um die Übertragung von Gesellschaftsanteilen selbst, sondern um die Abtretung von (schuldrechtlichen) Ansprüchen aus Treuhandverhältnissen. Insoweit ist sowohl rechtlich als auch tatsächlich eine andere Sachlage gegeben. Zum einen fällt die Abtretung des Herausgabeanspruchs aus dem Treuhandverhältnis bereits dem Wortlaut nach nicht unter die Formvorschrift von § 15 Abs. 3 und 4 GmbHG. Es handelt sich daher insoweit nicht um eine einschränkende Auslegung des Wortlauts, sondern um die Frage, ob die Vorschrift entgegen dem Wortlaut auch auf einen vergleichbaren Fall anzuwenden ist. Im übrigen bleibt bei der Abtretung des Anspruches aus dem Treuhandverhältnis die gesellschaftsrechtliche Zuordnung bestehen; es findet lediglich eine Veränderung des Anspruches aus dem Treuhandverhältnis statt.

Ungeachtet dieser Ausführungen ist zu berücksichtigen, daß sich der Zweck der Formvorschrift nicht allein darin beschränkt, die Umlauffähigkeit von Geschäftsanteilen zu erschweren. Vielmehr dient die Form daneben auch zur Beweiserleichterung (RGZ 164, 170; BGHZ 13, 49/52; Scholz-Winter, GmbHG, 8. Aufl., RdNr. 38 zu § 15). Ein dahingehendes Bedürfnis besteht insbesondere deshalb, weil die Inhaberschaft eines GmbH-Anteils – im Gegensatz etwa zu einer Aktie – nicht verbrieft ist. Zwar trifft diese Argumentation im wesentlichen auf den in § 15 Abs. 3 GmbHG geregelten dinglichen Übertragungsakt und nicht auf die – hier maßgebliche – in § 15 Abs. 4 GmbHG schuldrechtliche Verpflichtung auf Übertragung zu. Angesichts aber des übereinstimmenden Wortlauts verbietet es sich, hinsichtlich der Formbedürftigkeit der beiden Rechtsgeschäfte zu differenzieren. Daß im übrigen auch bei der Frage einer schuldrechtlichen Verpflichtung ein Beweisbedürfnis besteht, zeigt gerade der vorliegende Fall. Immerhin stellt der Kläger in Abrede, daß die Beklagte den richtigen – von zwei von ihm unterbreiteten Vergleichsvorschlägen – Vorschlag angenommen hat. Gerade im Hinblick aber auf die Frage der Zuordnung von GmbH-Anteilen, sei dies nun schuldrechtlich oder dinglich, ist Klarheit gefordert, weil zu viele Fragenkomplexe von diesem Punkt abhängen.

Die fehlende Form ist auch nicht geheilt nach § 15 Abs. 4 Satz 2 GmbHG. Der Einziehungsbeschluß kann schon deshalb nicht mit dem Abtretungsvertrag nach § 15 Abs. 3 GmbHG gleichgestellt werden, weil er vom Kläger angefochten ist und dieser die im Vergleich vorgesehenen Erledigungserklärungen gerade nicht abgegeben hat.

Nachdem die Widerklage bereits aus diesem Grunde abzuweisen war, kommt es nicht mehr darauf an, ob eine Beschlußfassung nach § 46 Nr. 8 GmbHG erforderlich war bzw. ob ein wirksamer Beschluß vorlag.

III.

Das Landgericht hat zu Recht entschieden, daß die streitgegenständlichen Beschlüsse nichtig sind. Insbesondere ist dem Landgericht auch darin zu folgen, daß der Kläger die Beschlüsse bereits aus formellen Gründen wirksam anfechten konnte. Insoweit kann dahingestellt bleiben, ob eine willkürliche Änderung der Reihenfolge von Tagesordnungspunkten bzw. deren Absetzung generell geeignet sein kann, eine wirksame Anfechtung zu begründen. Im vorliegenden Fall lagen mit den gegenseitigen Anträgen auf Einziehung des Gesellschaftsanteils jeweils des anderen Gesellschafters bzw. dessen Abberufung als Geschäftsführer miteinander unvereinbare und einander widersprechende Anträge vor. Beide Gesellschafter bezogen sich auf Sachverhalte, die nach ihrer Meinung geeignet waren, die Einziehung und die Abberufung aus wichtigem GrundBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Abberufung
Abberufung aus wichtigem Grund
zu rechtfertigen. Die vorgetragenen Sachverhalte entbehrten jeweils auch nicht völlig einer Grundlage; unstreitig bestand zwischen beiden Gesellschaftern ein tiefgreifendes Zerwürfnis. Bei einer solchen Sachlage erscheint es bereits fraglich, ob nicht beide Gesellschafter statt des in der Satzung vorgesehenen Mittels der Einziehung auf die Auflösungsklage zu verweisen sind. Nachdem beide Gesellschafter bereits nach der Satzung von der jeweiligen Stimmrechtsausübung ausgeschlossen sind, entsteht eine Pattsituation, die – wie gerade der vorliegende Fall zeigt – zu wenig praktikablen Ergebnissen führt. Zwar kann die Einziehung eines Geschäftsanteils eines Mitgesellschafters aus wichtigem Grund wegen dessen gesellschaftswidrigem Verhalten grundsätzlich auch von einem Gesellschafter betrieben werden, der sich seinerseits gesellschaftswidriges Verhalten hat zuschulden kommen lassen (BGH WM 1990, 677/678; vgl. auch Scholz/Westermann, a.a.O., RdNr. 41 zu § 34). Einen praktischen Sinn gibt dies aber nur, wenn andere Gesellschafter vorhanden und stimmberechtigt sind.

Selbst wenn aber bei einer Zwei-Mann-GmbH, bei der beide Gesellschafter gegenseitig die Einziehung wegen jeweils gesellschaftswidrigem Verhalten des anderen Teils betreiben, das Einziehungsverfahren über die Abstimmung der Gesellschafterversammlung als zulässig angesehen wird, ist zumindest zu verlangen, daß die gegenseitigen Vorwürfe in der Versammlung selbst behandelt und besprochen werden. Damit hat jeder Gesellschafter wenigstens formal die Möglichkeit, seinen Standpunkt zu erläutern und auf das Abstimmungsverhalten des anderen einzuwirken. Es kann jedenfalls nicht davon abhängen, an welcher Stelle der Tagesordnung die jeweiligen Anträge stehen. Insoweit hat das Landgericht zu Recht ausgeführt, daß die vom Mitgesellschafter S praktizierte Behandlung und Erörterung der Anträge einen schwerwiegenden Verstoß gegen die Teilnahmerechte des Klägers darstellt und die Beschlüsse schon aus diesem Grunde für unwirksam zu erklären sind.

IV.

Ungeachtet der obigen Ausführungen sind die Beschlüsse aber auch deshalb anfechtbar, weil weder für die Einziehung des GeschäftsanteilsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Einziehung des Geschäftsanteils
Geschäftsanteils
des Klägers noch für dessen Abberufung als Geschäftsführer ein wichtiger Grund besteht.

1) Der Ausschluß eines Gesellschafters aus wichtigem Grund setzt voraus, daß den übrigen Gesellschaftern die Fortführung der Gesellschaft mit dem betreffenden Mitglied infolge seines Verhaltens oder seiner Persönlichkeit nicht mehr zuzumuten ist, seine weitere Mitgliedschaft also den Fortbestand der Gesellschaft unmöglich macht oder doch ernstlich gefährdet (Baumbach/Hueck, GmbHG, 15. Aufl., RdNr. 3, Anh. § 34). Maßgebend ist die Abwägung aller wesentlichen Umstände des Einzelfalles. Die Gesamtumstände sind insbesondere unter dem Gesichtspunkt zu würdigen, ob die darin zu sehende Verletzung der Gesellschafterpflichten die Fortsetzung der Gesellschaft unzumutbar macht (BGHZ 80, 346/350). Insoweit kann nicht isoliert auf die Person des auszuschließenden Gesellschafters abgestellt werden. Zu berücksichtigen ist insbesondere auch, ob sich Mitgesellschafter – und gerade derjenige, der den Ausschluß betreibt – ihrerseits gesellschaftswidrig verhalten haben (BGH WM 1990, 677/678 m.w.N.). Diese Grundsätze gelten auch sinngemäß für die Frage, ob ein Gesellschafter als Geschäftsführer abberufen werden kann. Unter Zugrundelegung dieser Ausführungen sind die von S – und damit von der Beklagten – erhobenen Vorwürfe nicht geeignet, die gefaßten Beschlüsse zu rechtfertigen.

2) Zunächst ist zu sehen, daß sich die dem Kläger vorgeworfenen Tätigkeiten auf keine gesellschaftsfremden Zwecke bezogen. Die verfügten Zahlungen betrafen Verpflichtungen der Gesellschaft; die eingestellten Mitarbeiter sind für die Gesellschaft tätig und auch die Anschaffungen waren für die Gesellschaft bestimmt. Insoweit kann dem Kläger im wesentlichen nur vorgeworfen werden, daß er ohne das Einvernehmen seines Mitgesellschafters gehandelt hat. Es kann nun dahinstehen, ob ein solches Einvernehmen vorlag oder ob ein Verhalten des Klägers notwendig nach den Verhältnissen geboten war, etwa, weil sich S der erforderlichen Mitwirkung widersetzt hat. In diesem Zusammenhang ist nämlich zu berücksichtigen, daß der Kläger S vorwirft, in B gesellschaftswidrig Konkurrenzunternehmen zu betreiben und auch im Zusammenhang mit der Berliner Niederlassung eigenmächtig Geschäfte getätigt zu haben. Jedenfalls die Existenz der Konkurrenzbetriebe wird von der Beklagten nicht ernsthaft bestritten. Im übrigen würde auch eine Erklärung nicht ausreichen, maßgebende Person bei den Konkurrenzunternehmen sei nicht. S selbst, sondern dessen Ehefrau. Ebenso genügt es im Hinblick auf einen substantiierten Sachvortrag nicht, pauschal einen Zusammenhang mit dem Mitarbeiter der Beklagten Sch in Abrede zu stellen. Nach Sachlage wäre erforderlich gewesen, die Hintergründe näher darzulegen.

Soweit der Kläger vorträgt …

V.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91 Abs. 1, 97 Abs. 1, 546 Abs. 2, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

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