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LG Nürnberg-Fürth, Beschluss vom 10.11.2022 – 1 HK O 7642/21

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Genossenschaftsanteil
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Wertverlust Genossenschaftsanteil

§ 15 UmwG, § 85 Abs 1 UmwG, § 1 SpruchG, § 8 Abs 1 S 1 SpruchG, § 8 Abs 3 SpruchG, § 130a Abs 3 S 1 ZPO, § 130a Abs 4 ZPO, § 139 ZPO          

1. Nach dem geltenden Recht ist bei einer Verschmelzung von Genossenschaften eine Zuzahlung bis zum Erreichen des wirtschaftlichen Wertes der Beteiligung nicht vorgesehen. Eine solche Zuzahlung lässt sich auch über eine teleologische oder anderweitige Auslegung der geltenden Normen erreichen. Eine Analogie zur Auflösung der Genossenschaft lässt sich nicht ziehen mangels einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz. Eine Abfindung, die sich am tatsächlichen Wert der Beteiligung orientiert, ist auch im Hinblick des Zwecks einer Genossenschaft nicht geboten.

2. Nach § 85 Abs. 1 UmwG ist bei der Verschmelzung von Genossenschaften miteinander § 15 UmwG nur anzuwenden, wenn und soweit das Geschäftsguthaben eines Mitglieds in der übernehmenden Genossenschaft niedriger als das Geschäftsguthaben in der übertragenden Genossenschaft ist. Dies ist vorliegend nicht der Fall. Denn die Geschäftsguthaben des Antragstellers lauten insgesamt auf den gleichen Betrag. Damit ist nach dem Gesetzeswortlaut für eine Zuzahlung kein Raum.

Tenor

1. Der Antrag des Antragstellers auf Kompensation des behaupteten Wertverlusts seiner beiden Genossenschaftsanteile wird verworfen.

2. Der Antragsteller trägt seine außergerichtlichen Kosten des Verfahrens selbst. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des gemeinsamen Vertreters, die Gerichtskosten und ihre außergerichtlichen Kosten.

3. Der Gegenstandswert wird auf 200.000€ festgesetzt.

Gründe

Der Antrag des Antragstellers ist unzulässig und war dementsprechend zu verwerfen.Randnummer2

1. Dieser Entscheidung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:Randnummer3

a) Unter dem 01.12.2021 wandte sich der Antragsteller an das Gericht. Er war Mitglied der …. Deren Vertreterversammlung stimmte am 08.06.2021 mehrheitlich für die Verschmelzung mit der bzw. auf die …. Die Eintragung der Verschmelzung erfolgte beim … am 07.09.2021. Parallel wurde die Löschung der … veröffentlicht. Der Antragsteller gehörte der Vertreterversammlung nicht an. Er war einfaches Mitglied der verschmolzenen Genossenschaft und hielt zwei Geschäftsanteile zu je 125€. Neben ihm waren 32.454 Mitlieder an der verschmolzenen Genossenschaft beteiligt. An der Verschmelzung nahm als weitere übergebende Genossenschaft noch die … teil. Nach Namensänderung firmiert die verbleibende Genossenschaft unter dem Namen der Antragsgegnerin. Im Verschmelzungsvertrag wurden als wirtschaftlicher Sitz … und als juristischer Sitz … vereinbart. Die künftige Höhe des einzelnen Geschäftsanteils wurde auf 25,00€ festgesetzt. Dementsprechend wurden die vom Antragsteller einbezahlten Geschäftsguthaben von jeweils 250,00 € umgetauscht je 10 Geschäftsanteile der … zu je 25,00€.Randnummer4

b) Der Antragsteller ist der Ansicht, der Wert seiner beiden Anteile habe sich durch die Fusion verringert. Bei der Verschmelzung habe der innere Wert seiner beiden Geschäftsanteile 2.662,00€ betragen. Nach der Verschmelzung sie dieser auf nur noch 1.599,00€ gesunken. Der innere Wert der Anteile sei bei der Fusion zu Unrecht unberücksichtigt geblieben. Während seiner Mitgliedschaft sei jedes Genossenschaftsmitglied am tatsächlichen Wert des Geschäftsanteils beteiligt. Dieser Wert müsse deshalb ermittelt werden. Die Verschmelzung hätte hierfür Anlass gegeben. Die Voraussetzungen der Regelungen der §§ 15, 85 Abs. 1 UmwG lägen vor. Die Pflicht zur Abfindung der anderen 32.454 Mitglieder ergebe sich aus § 45 der Satzung der … eG. § 73 UmwG, wonach eine Beteiligung ausscheidender Mitglieder am Vermögen der Genossenschaft ausgeschlossen ist, sei vorliegend nicht anwendbar. Der gesetzliche Pflichtzweck jeder Genossenschaft sei die Förderung der eigenen Mitglieder. Der Geschäftszweck der Genossenschaft bestünde seinem Wesen nach nicht in der Erzielung von Gewinnen. Im Fusionsvertrag hätte eine Vereinbarung dahingehend aufgenommen werden müssen, dass die Genossen der aufgelösten Genossenschaft nach dem inneren Wert ihrer Geschäftsanteile ausgezahlt werden. Hilfsweise werde daher der durch das Unterbleiben einer solchen Vereinbarung beim Antragsteller verloren gegangene Wert in Höhe von 1063,00€ als Schadensersatzanspruch geltend gemacht. Im Übrigen läge inzwischen ein Gesetzesentwurf vor, der auch eine Modifikation des § 85 UmwG vorsehe, nach der § 15 UmwG nicht auf Mitglieder einer übernehmenden Genossenschaft anzuwenden sei. Diese geplante Neuregelung zeige, dass der Gesetzgeber derzeit davon ausgeht, dass die Einleitung eines Spruchverfahrens nach § 15 UmwG durch Mitglieder einer übergebenden Genossenschaft jederzeit zulässig sei und auch weiterhin bleiben soll, dass auch im Fall der Verschmelzung von Genossenschaften untereinander die Möglichkeit der Einleitung eines Spruchverfahrens durch die Mitglieder der sich einbringenden Genossenschaften bestünde und deshalb das hier angestrebte Spruchverfahren statthaft sein müsse. Zu klären sei in diesem Verfahren, ob bei einer Fusion der tatsächliche Wert des Mitgliederanteils maßgeblich ist. Die Fusion mehrerer Genossenschaften zu einer gemeinsamen bei gleichzeitiger Löschung von in die Fusion eingebrachten Genossenschaften sei ein Unterfall der Auflösung einer Genossenschaft. Deshalb seien die Regelungen zur Liquidation nicht nur entsprechend, sondern sogar unmittelbar anzuwenden. Auf den Zweck einer Genossenschaft könne, nicht abgestellt werden; denn nahezu jede Fusion werde mit wirtschaftlichen interessen und der Wettbewerbsfähigkeit begründet. Auf den Förderzweck käme es in diesem Zusammenhang nicht an. Zweck jeder Genossenschaft sei es, die interessen der Mitglieder zu fördern. Diese interessen seien vorliegend vom Vorstand und der Vertreterversammlung der Genossenschaft bei der Fusion außer Acht gelassen worden entgegen der Regelung des § 34 Abs. 1 S. 1 GenG. Die Vorstände der Genossenschaft hätten ihre Pflichten verletzt, da sie es unterlassen hätten, die Mitglieder und Vertreter in der Vertreterversammlung der … im Rahmen der Vorbereitung der Fusion über Umstände zutreffend und vollständig zu informieren, die deren mitgliedschaftlichen Vermögensinteressen berührten. Dies folge aus der auch für Genossenschaften geltende Informations- und Treuepflicht. Der Gesetzgeber habe in seinen Erläuterungen zur Bereinigung des Umwandlungsrechts ausdrücklich ausführliche Vorabinformationen der Anteilseigner gefordert. Unter Verheimlichung von Informationen, die mitgliedschaftliche Vermögensinteressen berührten, hätten die Vorstände der … der Vertreterversammlung einen Verschmelzungsvertrag vorgelegt, der die Mitglieder als Anteilseigner massiv benachteilige und von jeglicher Mitwirkung und Willensbildung ausgeschlossen habe. Eine ausführliche Information der Mitglieder sei zu keinem Zeitpunkt erfolgt. Die Vorstände hätten eigenmächtig andere Alternativen ausgeschlossen. Die Vertreterversammlung habe deshalb insgesamt ohne vollständige und zutreffende Informationen der Verschmelzung zugestimmt. Die Verschmelzung hätte Anlass geboten, eine Unternehmensbewertung durchzuführen. Ein Umtauschverhältnis von 1:1 der Nominalwerte der eingezahlten Geschäftsguthaben führe stets dazu, dass eine Rechtsform, die den gesetzlichen Pflichtauftrag habe, ausschließlich ihre eigenen Mitglieder zu fördern, dazu missbraucht würde, verfassungsrechtliche Grundrechte der Anteilseigner auszuhebeln. Auch der BGH habe in seinem Urteil Vom 27.04.2009 unter dem Aktenzeichen II ZB 16/08 ausdrücklich klargestellt, dass ein Genossenschaftsmitglied während seiner Mitgliedschaft am tatsächlichen Wert des Geschäftsanteils beteiligt sei. Dies führe automatisch zur Erkenntnis, dass auch bei einer rein genossenschaftlichen Verschmelzung die gleichen Maßstäbe für ein angemessenes Umtauschverhältnis gelten müssen wie für Mischverschmelzungen. Da ihm wesentliche Informationen vorenthalten worden seien, könne man ihm nicht vorhalten, zu wenig im Rahmen der Einwendungen vorgetragen zu haben. Die Verfahrenskosten seien in jedem Fall von der Antragsgegnerin zu tragen. Das Verfahren sei nicht zur Entscheidung reif. Es müsse eine mündliche Verhandlung anberaumt werden. Aus systematischen Gründen und aus Gründen der Billigkeit müsse der im Spruchverfahren geltend zu machende Anspruch nach § 15 Abs. 1 UmwG allen zustehen, denen gem. § 14 UmwG die Klage gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses bei zu niedrig bemessenem Umtauschverhältnis der Anteile verwehrt sei.Randnummer5

c) Die Antragsgegnerin ist der Ansicht, der Antragsteller verkenne die Bedeutung des § 85 Abs. 1 UmwG. Diese Regelung schlösse eine Verbesserung des Umtauschverhältnisses in der Regel aus. Im Falle der Verschmelzung von zwei Genossenschaften sei eine entsprechende Verbesserung gem. § 85 Abs. 1 UmwG ausschließlich dann vorgesehen, wenn das Geschäftsguthaben eines Mitglieds des übertragenden Rechtsträgers geringer ist als sein Geschäftsguthaben in der übertragenden Genossenschaft. Vorliegend ergebe sich bereits aber aus der Antragsschrift, dass das Geschäftsguthaben des Antragstellers vor und nach der Verschmelzung identisch ist. Sie beantragte deshalb inzwischen, den Antrag des Antragstellers zurückzuweisen. Der Antrag sei bereits unzulässig, da der Anspruch auf bare Zuzahlung gem. § 15 UmwG, der im Spruchverfahren nach § 1 Nr. 4 SpruchG geltend gemacht werden könne, durch die Regelung des § 85 Abs. 1 UmwG erheblich eingeschränkt sei und hier nicht bestünde. In allen Fällen der Verschmelzung zweier Genossenschaften, die nicht mit einer Verringerung des Geschäftsguthabens beim übernehmenden Rechtsträger verbunden sind, sei der Anspruch gem. § 15 UmwG de lege lata nach einhelliger Auffassung in der Literatur ausgeschlossen. Diese Wirkung entspräche ausweislich der Begründung des Entwurfs des Gesetzes zur Bereinigung des Umwandlungsrechts vom 01.02.1994 dem ausdrücklich erklärten Willen des Gesetzgebers sowie dem Zweck der Vorschrift. Aber selbst bei einer Anwendbarkeit der Regelungen der §§ 85 Abs. 1, 15 UmwG bestünde allenfalls ein Anspruch auf Ausgleich der Differenz zwischen den beiden Geschäftsguthaben. Zudem fehle es der Antragsschrift an konkreten Einwendungen gegen die ermittelten Unternehmenswerte. Damit seien die Anforderungen des § 4 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 SpruchG nicht erfüllt. Ferner seien die Wertermittlungen des Antragstellers schlicht willkürlich. Eine analoge Anwendung des SpruchG käme vorliegend trotz der weiten Regelung des § 1 SpruchG nicht in Betracht. Es fehle auch an einer planwidrigen Regelungslücke. Aus der Vorgabe des § 80 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 UmwG zur bloßen Fortschreibung des Geschäftsguthabens beim übernehmenden Rechtsträger in Verbindung mit dem Ausschluss eines Anspruchs auf eine bare Zuzahlung brächte das UmwG zum Ausdruck, dass eine Beteiligung der Mitglieder der übertragenden Genossenschaft an deren „wahren“ Wert im Zuge einer Umwandlung unterbleiben soll. Diese gesetzliche Anordnung werde allgemein als genossenschaftsrechtliches Nominalwertprinzip bezeichnet. Der beschränkte Anwendungsbereich des Anspruchs auf bare Zuzahlung gem. § 85 Abs. 1, 15 UmwG erweise sich somit nur als konsequente Fortschreibung dieses Prinzips. Das Nominalwertprinzip finde seine Rechtfertigung in der gesellschaftsrechtlichen Struktur der Rechtsform der Genossenschaft, die grundsätzlich keine Beteiligung der Mitglieder an dem über das auf die Mitglieder entfallende Geschäftsguthaben hinausgehenden Vermögen der Genossenschaft vorsehe. Dadurch unterscheide sich diese deutlich von der gesellschaftsrechtlichen Struktur einer AG oder GmbH. Der Beitritt zu einer Genossenschaft erfolge immer mit dem Ziel, den jeweiligen Förderzweck der Genossenschaft in Anspruch zu nehmen, aber nicht in der Absicht, an dem von dieser erzielten Gewinn zu partizipieren. Ferner sei die Verkehrsfähigkeit der aus der Mitgliedschaft erwachsenden Vermögensbeteiligung eines Mitglieds an der Genossenschaft aus praktischen und rechtlichen Gründen erheblich eingeschränkt. Das Gesetz sehe bereits keine Übertragung der Mitgliedschaft im Sinne der Übertragung der gesamten Rechtsstellung des Mitglieds vor. § 76 GenG ermögliche lediglich die Übertragung von Geschäftsguthaben. Der Übernehmer eines Geschäftsguthabens müsse die Voraussetzungen für einen Beitritt zur Genossenschaft erfüllen, was insbesondere bedinge, dass der Übernehmer willens und in der Lage sei, vom Förderzweck der Genossenschaft Gebrauch zu machen. Die damit verbundene Reduzierung des Kreises der in Frage kommenden Übernehmer sei auch erheblich, wodurch die Verkehrsfähigkeit der Vermögensbeteiligung in tatsächlicher Hinsicht signifikant eingeschränkt werde. Im Übrigen könne gem. § 76 Abs. 2 S. 1 GenG die Satzung einer Genossenschaft die Übertragung des Geschäftsguthabens vollständig ausschließen oder an weitere Voraussetzungen knüpfen. Der etwaige Übernehmer eines Geschäftsguthabens haben keinen Anlass, sich zur Zahlung eines Betrages an das ausscheidende Mitglied zu verpflichten, der das zu übernehmende Geschäftsguthaben übersteige. Regelmäßig vollziehe sich der Erwerb der Mitgliedschaft durch Begründung einer neuen Mitgliedschaft. Jeder Beitritt erhöhe damit den Gesamtbetrag der Geschäftsguthaben. Auch bei der Beendigung der Mitgliedschaft erhalte das ausscheidende Mitglied die Auszahlung des Auseinandersetzungsguthabens, dem wiederum gem. § 73 Abs. 2 S. 2 GenG das Geschäftsguthaben zugrunde liege. Anders als bei der GmbH oder der AG sei bei der Genossenschaft kein festes Gründungskapital vorgeschrieben. Das Kapital der Genossenschaft schwanke laufend mit dem sich verändernden Mitgliederbestand. Auch bei der Bilanzierung käme es nur auf den Betrag der Geschäftsguthaben an. Wegen der schwankenden Zahl der Mitglieder bestünde kein Schutz vor einer Verwässerung der Gewinnbezugsrechte. Nur im Falle der Liquidation der Genossenschaft sei eine unmittelbare Beteiligung der Mitglieder an dem über die Geschäftsguthaben hinausgehenden Vermögen vorgesehen. Zudem seien Neumitglieder nicht verpflichtet, den Verwässerungseffekt den Bestandsmitgliedern auszugleichen. Das Genossenschaftsrecht verfolge mit dem grundsätzlich vorgesehenen Stimmrecht nach Köpfen und nicht nach der Zahl der Anteile (wie bei GmbH und AG) auch nicht das Ziel, einzelnen Mitgliedern in Abhängigkeit von dem auf sie entfallenden Geschäftsguthaben Einfluss auf die Meinungsbildung in der Generalversammlung zu geben. All diese grundsätzlichen Erwägungen gälten auch für die Mitglieder der …. Eine Gleichstellung einer Verschmelzung mit einer Liquidation einer Genossenschaft könne daher nicht erfolgen. Soweit in der vom Antragsteller und dem gemeinsamen Vertreter herangezogenen Literatur Kritik an der geltenden Rechtslage geäußert werde, ändere dies aber eben nichts an dieser. Darüber hinaus bestehe kein Bedürfnis für eine Korrektur des geltenden Rechts. Aber selbst wenn man die Existenz eines Anspruchs des Antragstellers bejahte, bestünde dieser nicht in der geltend gemachten Höhe. So sei der innere Wert des übertragenden Rechtsträgers nicht ausreichend dargelegt. Eine bare Zuzahlung in Höhe von mehr als 10% der gewährten Anteile käme ohnehin nicht in Betracht. Um Übrigen entspräche es der Billigkeit, dem Antragsteller gem. § 15 SpruchG die Tragung der Gerichtskosten aufzuerlegen, da der Antrag offensichtlich unzulässig oder unbegründet sei. Das vom gemeinsamen Vertreter über eine angebliche teleologische Reduktion des § 85 UmwG erreichte Ergebnis ließe sich lediglich mit einer Abschaffung der Regelung erreichen, die den Rückgriff auf § 15 UmwG ermöglichen würde. Die Auslegung sei auch nicht teleologisch. Eine solche Auslegung setze vielmehr voraus, dass Sachverhalte unter den Wortlaut einer Norm fielen, jedoch vom Normzweck nicht erfasst würden, wobei hinsichtlich des Normzwecks auf die in der Gesetzesbegründung niedergelegte gesetzgeberische Absicht abzustellen sei. Vielmehr sei es eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers gewesen, die Mitglieder des übertragenden Rechtsträgers nicht an den Rücklagen und dem sonstigen Vermögen des übertragenden Rechtsträgers zu beteiligen. Dies ergebe sich unmittelbar aus den Gesetzesmaterialien. Der vom Antragsteller in Bezug genommene Referentenentwurf des Bundesjustizministeriums vom 20.04.2022 sehe eine Modifikation von § 85 UmwG im Sinne der Argumentation des Antragstellers und des gemeinsamen Vertreters im Übrigen gerade nicht vor. Eine derzeit noch nicht vollzogene Gesetzesänderung wirkte sich auch nicht auf das hiesige Verfahren aus. Die Erholung eines Rechtsgutachtens sei im Hinblick auf die Regelung des Art. 100 GG nicht veranlasst. Wegen der Rechtsnatur der Genossenschaft führe § 85 Abs. 1 UmwG nicht zu einer Grundrechtsverletzung, insbesondere nicht zu einer Verletzung der Eigentumsgarantie. Eine über das Geschäftsguthaben hinausgehende Beteiligung stellte einen reinen „windfall profit“ dar. Dieser sei nicht durch die Eigentumsgarantie des Art. 14 GG geschützt. Der Antragsteller und der gemeinsame Vertreter hätten eine materiell-rechtliche Anspruchsgrundlage für eine Ausgleichszahlung nicht aufzeigen können. Damit sei das Spruchverfahren vorliegend unstatthaft. Die Antragserwiderung sei formgerecht elektronisch eingereicht worden, indem der Schriftsatz signiert und auf einem sicheren Übertragungsweg eingereicht worden sei. Die vom. Antragsteller gegen den Vorstand erhobenen Vorwürfe seien unberechtigt. Bei einer Zustimmung von mehr als 3/4 der Vertreterversammlung könne von einem eigenmächtigen Vorgehen des Vorstands keine Rede sein.Randnummer6

d) Mit Verfügung vom 31.01.2022 wurde Rechtsanwalt … zum gemeinsamen Vertreter der nicht am Verfahren beteiligten Anteilseigner bestellt. Dieser äußerte sich im Wesentlichen zum Antrag des Antragstellers wie folgt: Dreh- und Angelpunkt des Verfahrens sei die Statthaftigkeit des Spruchverfahrens, die er angesichts der von ihm vertretenen ca. 32.500 Anteilseigner nicht in Frage stellen könne. Da sich die Antragsgegnerin nicht gegen die Statthaftigkeit des Spruchverfahrens mit einem entsprechenden Antrag gewehrt habe, ginge sie selbst davon aus, dass es statthaft sei. Weiteres gegensätzliches Vorbringen dürfte präkludiert sein. Es läge eine massive Unterbewertung der … vor. Der Antragsteller wehre sich gegen die regelmäßige Unterbewertung im Rahmen einer Verschmelzung zweier eingetragener Genossenschaften, was den Antrag auch rechtspolitisch bedeutsam mache. Der gemeinsame Vertreter rügt die fehlende elektronische Signatur des Schriftsatzes der Antragsgegnerin vom 19.04.2022. Damit fehle die erforderliche Unterschrift, weshalb es sich bei dem so unterbreiteten Vorbringen um ein Nullum handle. Insoweit sei die Antragsgegnerin auch präkludiert. Der Anwendungsbereich des § 1 SpruchG sei vom Wortlaut her nicht eröffnet. Indes handele es sich bei dieser Regelung um keine abschließende. Die Regelung des § 85 UmwG sei im Wege der teleologischen Reduktion eng auszulegen. Die Regelung sei nicht verfassungskonform. Der gemeinsame Vertreter beantragt diesbezüglich die Erholung eines Rechtsgutachtens durch eine Stimme in der aktienrechtlichen Fachliteratur, die § 85 UmsG ausweislich der eigenen Kommentierung eben nicht verfassungsrechtlich unbedenklich einstuft. Entgegen der Ansicht der Antragsgegnerin seien die Einwendungen des Antragstellers konkret genug formuliert und vorgetragen. Der Antrag des Antragstellers sei auch begründet. Denn es habe unstrittig keinerlei Unternehmensbewertung stattgefunden. Diese habe nunmehr erstmalig zu erfolgen. Ihr Vorangestellt werden solle aber indes zunächst eine Entscheidung über die Statthaftigkeit des Antrags. Die Antragsgegnerin trage auch die Kosten des gemeinsamen Vertreters.Randnummer7

e) Ergänzend wird auf alle gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen und sonstigen Aktenteile Bezug genommen.Randnummer8

2. Vor dem Hintergrund des wechselseitigen, im wesentlichen unstreitigen Sachvortrags der Beteiligten und deren rechtlichen Ausführungen war der Antrag auf Durchführung des Spruchverfahrens als unzulässig zu verwerfen.Randnummer9

a) Die Unzulässigkeit ergibt sich aber nicht daraus, dass die vorliegende Konstellation in § 1 SpruchG nicht genannt ist. Denn die Aufzählung in § 1 SpruchG ist nicht abschließend und auch nicht vollständig (vgl. Mennicke in: Lutter, Umwandlungsgesetz, 6. Aufl. 2019, § 1 SpruchG Rn. 1).Randnummer10

b) Die Unzulässigkeit ergibt sich vielmehr hier daraus, dass nach dem geltenden Recht für die vorliegende Verschmelzung der Genossenschaften auf die Antragsgegnerin eine Zuzahlung bis zum Erreichen des wirtschaftlichen Wertes der Beteiligung gerade nicht vorgesehen ist. Eine solche Zuzahlung lässt sich auch über eine teleologische oder anderweitige Auslegung der geltenden Normen erreichen. Eine Analogie zur Auflösung der Genossenschaft lässt sich vorliegend ebenfalls nicht ziehen mangels einer planwidrigen Regelungslücke im Gesetz. Eine Abfindung, die sich am tatsächlichen Wert der Beteiligung orientiert, ist auch im Hinblick des Zwecks einer Genossenschaft nicht geboten.Randnummer11

aa) Das geltende Recht sieht eine Zuzahlung, wie sie der Antragsteller begehrt, gerade nicht vor. Maßgeblich sind insoweit die Regelungen der §§ 15, 85 UmwG. Gem. § 15 Abs. 1 UmwG kann dann, wenn das Umtauschverhältnis der Anteile zu niedrig bemessen oder die Mitgliedschaft bei dem übernehmenden Rechtsträger kein ausreichender Gegenwert für den Anteil oder die Mitgliedschaft bei einem übertragenden Rechtsträger ist, jeder Anteilsinhaber dieses übertragenden Rechtsträgers, dessen Recht, gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses Klage zu erheben, nach § 14 Abs. 2 UmwG ausgeschlossen ist, von dem übernehmenden Rechtsträger einen Ausgleich durch bare Zuzahlung verlangen; die Zuzahlungen können den zehnten Teil des auf die gewährten Anteile entfallenden Betrags des Grund- oder Stammkapitals übersteigen. Die angemessene Zuzahlung wird auf Antrag durch das Gericht nach den Vorschriften des SpruchG bestimmt. Nach § 85 Abs. 1 UmwG ist bei der Verschmelzung von Genossenschaften miteinander § 15 UmwG aber nur anzuwenden, wenn und soweit das Geschäftsguthaben eines Mitglieds in der übernehmenden Genossenschaft niedriger als das Geschäftsguthaben in der übertragenden Genossenschaft ist. Dies ist vorliegend gerade nicht der Fall. Denn die Geschäftsguthaben des Antragstellers lauten insgesamt auf den gleichen Betrag. Damit ist nach dem Gesetzeswortlaut für eine Zuzahlung kein Raum.Randnummer12

bb) Auch im Wege einer teleologischen oder anderweitigen Auslegung der einschlägigen Normen lässt sich keine Möglichkeit begründen, eine Zuzahlung zu prüfen.Randnummer13

(1) Unter der ratio legis versteht man den Zweck einer Regelung, ihren Sinn als Teil einer gerechten und zweckmäßigen Ordnung. Der BGH verwendet die Formel, eine Vorschrift sei nach Sinn und Zweck des Gesetzes auszulegen. In der teleologischen Methode kommt die Bindung des Richters an die Gerechtigkeit zum Ausdruck, in deren Dienst ja auch das positive Gesetz steht. Daher soll es so angewendet werden, wie diese letzte Zwecksetzung des Rechtes es erfordert. Die ratio legis kann bestimmt werden subjektiv nach den Ansichten des historischen Gesetzgebers oder objektiv aus allgemeinen Zweck- und Gerechtigkeitserwägungen. Dem liegt die Vorstellung zugrunde, dass man davon ausgehen müsse, dass das Gesetz etwas Vernünftiges gewollt hat, oder wie das Reichsgericht es einmal formuliert hat: „Ein allgemeiner Grundsatz der Auslegung ist auch, dass im Zweifel der Gesetzgeber eine nützliche, nicht schädliche Vorschrift hat aufstellen wollen. Die ratio legis wird in der Praxis in der Weise berücksichtigt, dass die praktischen Konsequenzen einer bestimmten Auslegung herausgearbeitet werden und an dem festgestellten Normzweck und der Gerechtigkeit gemessen werden. Es wird geprüft, ob das Ergebnis befriedigend ist. Mit der teleologischen Auslegung nach der ratio legis, insbesondere mit dem Gedanken, dass dem Gesetz eine innere vernünftige Ordnung entnommen werden muss, hängt das sogenannte argumentum ad absurdum zusammen. Bei diesem Argument wird gezeigt, dass ein bestimmtes Auslegungsergebnis nicht als Bestandteil einer sinnvollen Ordnung verstanden werden kann. Ein solches argumentum a consequentiis begegnet z. B. in BGHZ 56, 163, 171, wo der BGH bemerkt: „Daraus ergibt sich zugleich, dass die vom Berufungsgericht und einem Teil des Schrifttums vertretene Auffassung zu unhaltbaren Ergebnissen führt.“ Ziel der Auslegung (im engeren Sinn) muss es sein, die Gerechtigkeits- und Zweckmäßigkeitsgesichtspunkte zu erfassen, die einer gesetzlichen Regelung zugrunde liegen. Es gilt also der Primat der teleologischen Methode. Hilfsmittel auf diesem Wege sind aber die übrigen Methoden: die sprachlich-grammatische, die logisch-systematische, die historisch-genetische, gegebenenfalls die vergleichende. Ist die ratio der Norm ermittelt, so muss sie zur Grundlage ihrer Anwendung gemacht werden. Die logisch-systematische Subsumtion des Falles unter die Norm ist nur ein erster Schritt; entscheidend immer der Rückgriff auf zugrunde liegende Wertung (vgl. Staudinger/Honsell (2018) Einleitung BGB Rn. 148ff. m. w. N.).Randnummer14

(2) In Anwendung dieser grundsätzlichen Erwägung kommt eine Auslegung im Sinne des Antragstellers nur in Betracht, wenn der Zweck der einschlägigen genossenschaftlichen Regelungen die begehrte Zuzahlung rechtfertigen kann und die Verweigerung der Zuzahlung ein unhaltbares Ergebnis wäre. Maßgeblich sind insoweit zunächst die Regelungen der §§ 15, 85 UmwG. Gem. § 15 kann dann, wenn das Umtauschverhältnis der Anteile zu niedrig bemessen oder ist die Mitgliedschaft bei dem übernehmenden Rechtsträger kein ausreichender Gegenwert für den Anteil oder die Mitgliedschaft bei einem übertragenden Rechtsträger ist, jeder Anteilsinhaber dieses übertragenden Rechtsträgers, dessen Recht, gegen die Wirksamkeit des Verschmelzungsbeschlusses Klage zu erheben, nach § 14 Abs. 2 UmwG ausgeschlossen ist, von dem übernehmenden Rechtsträger einen Ausgleich durch bare Zuzahlung verlangen; die Zuzahlungen können den zehnten Teil des auf die gewährten Anteile entfallenden Betrags des Grund- oder Stammkapitals übersteigen. Die angemessene Zuzahlung wird auf Antrag durch das Gericht nach den Vorschriften des SpruchG bestimmt. § 15 Abs. 1 UmwG gewährt den Anteilsinhabern eines übertragenden Rechtsträgers damit die Möglichkeit, einen Anspruch auf bare Zuzahlung wegen Unangemessenheit des Umtauschverhältnisses in einem gesonderten Spruchverfahren geltend zu machen. Die Regelung stellt das notwendige Pendant zu § 14 Abs. 2 UmwG dar, wonach diese Anteilsinhaber im Rahmen von Unwirksamkeitsklagen gegen den Verschmelzungsbeschluss nicht die Rüge des unangemessenen Umtauschverhältnisses erheben können (Decher in: Lutter, Umwandlungsgesetz, 6. Aufl. 2019, § 15 UmwG Rn. 1). § 85 Abs. 1 UmwG macht von diesem Grundsatz ausdrücklich eine Ausnahme für Genossenschaften. Danach ist § 15 UmwG bei der Verschmelzung von Genossenschaften miteinander nur anzuwenden, wenn und soweit das Geschäftsguthaben eines Mitglieds in der übernehmenden Genossenschaft niedriger als das Geschäftsguthaben in der übertragenden Genossenschaft ist. Wie sich aus der Begründung des entsprechenden Gesetzesentwurfs zur Bereinigung des Umwandlungsrechts vom 01.02.1994 ergibt, war diese Ausnahme eine bewusste Entscheidung des Gesetzgebers:Randnummer15

„Die Erfüllung des Nachbesserungsanspruchs nach § 15 kann bei der Verschmelzung von Genossenschaften dazu führen, daß dem Genossen aus Anlaß der Verschmelzung eine Beteiligung an den Rücklagen und dem sonstigen Vermögen der übertragenden Genossenschaft zuwächst, die er nicht hätte, wenn er aus der Genossenschaft ausschiede (durch Kündigung gemäß den §§ 93 k ff. GenG oder durch Ausschlagung gemäß den §§ 90 ff. des Entwurfs – vgl. § 93m Abs. 1 Satz 3 GenG, § 93 Abs. 2 des Entwurfs), und die er auch bisher nicht hatte. Deshalb soll der Nachbesserungsanspruch für die rein genossenschaftliche Verschmelzung auf den Fall begrenzt werden, daß nach dem Verschmelzungsvertrag dem Genossen bei der übernehmenden Genossenschaft ein geringeres Geschäftsguthaben zustehen soll als bei der übertragenden Genossenschaft. Dadurch wird zugleich eine Abschmelzung des Eigenkapitals der Genossenschaft vermieden“ (S. 101 BT-Drs 12/6699).Randnummer16

Ausdrückliches Ziel der Regelung ist es damit, das Mitglied durch die Verschmelzung keinen Sondervorteil aus seiner Beteiligung an der Genossenschaft ziehen zu lassen, den es ansonsten nicht hätte.Randnummer17

(3) Auch der aktuelle Referentenentwurf zum Gesetz zur Umsetzung der Umwandlungsrichtlinie zeigt, dass der Gesetzgeber an der bisherigen Gestaltung trotz der Kritik an der Regelung des § 85 Abs. 1 UmwG in der Kommentarliteratur festhalten will. § 85 UmwG soll zwar geändert werden. Diese Änderung soll aber bei Beibehaltung der bisherigen Regelungen den bisherigen Absätzen 1 und 2 einen neuen Absatz 1 voranstellen, nach dem § 15 UmwG nicht anzuwenden sein soll auf die Mitglieder der übernehmenden Genossenschaft. Zur Begründung heißt es wörtlich wie folgt:Randnummer18

„Mit § 85 Absatz 1 UmwG-E wird den Absätzen 1 und 2 von § 85 UmwG gegenwärtiger Rechtslage ein neuer Absatz vorangestellt. § 85 Absatz 1 UmwG-E schließt den Anspruch auf bare Zuzahlung und dessen Durchsetzung im Spruchverfahren gemäß § 15 UmwG-E für die Mitglieder der übernehmenden Genossenschaft aus. Eine Erstreckung auf die Mitglieder einer übernehmenden Genossenschaft wäre nicht sachgerecht, da ihnen keine Beteiligung am Kapital der Genossenschaft, sondern nur ein Geschäftsguthaben zusteht. Das Geschäftsguthaben der Mitglieder der übernehmenden Genossenschaft wird durch die Verschmelzung nicht verändert. Der neue § 85 Absatz 1 UmwG-E soll – im Gegensatz zu § 85 Absatz 1 UmwG gegenwärtiger Rechtslage – nicht auf Verschmelzungen von Genossenschaften miteinander beschränkt sein, sondern auch auf die Verschmelzung von Rechtsträgern anderer Rechtsform auf eine Genossenschaft Anwendung finden.Randnummer19

Die geänderte Nummerierung der Absätze 1 und 2 ist eine redaktionelle Folgeänderung zur Einfügung des neuen Absatz 1. Inhaltliche Änderungen der bisherigen Bestimmungen ergeben sich daraus nicht.“Randnummer20

Dies belegt, dass der Gesetzgeber nichts an seiner Wertung ändern möchte. Er will sie vielmehr auch auf die Mitglieder der übernehmenden Genossenschaft erstrecken und behält das Geschäftsguthaben als entscheidendes Kriterium bei. Auf den wirtschaftlichen Wert der Beteiligung soll es weiterhin nicht ankommen. Insoweit liegt auch die für eine Analogie erforderliche planwidrige Regelungslücke ersichtlich nicht vor.Randnummer21

(4) Dieses Ergebnis stellt sich gerade vom Wesen der Genossenschaft als nicht unhaltbar dar. Genossenschaften sind Gesellschaften von nicht geschlossener Mitgliederzahl, deren Zweck darauf gerichtet ist, den Erwerb oder die wirtschaft ihrer Mitglieder oder deren soziale oder kulturelle Belange durch gemeinschaftlichen Geschäftsbetrieb zu fördern (§ 1 Abs. 1 GenG). Das Gesetz sieht dabei keine einzige Regelung zur Übertragung von GeschäftsanteilenBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Übertragung
Übertragung von Geschäftsanteilen
im Ganzen vor. Anders verhält es sich im Aktiengesetz und im Recht der GmbH (vgl. z. B. § 15 Abs. 1 GmbHG). In diesen Rechtsformen ist die Übertragung von Anteilen bzw. deren Übertragbarkeit selbstverständlich. Die Satzung der verschmolzenen Genossenschaft sah demgegenüber die Übertragbarkeit der Mitgliedschaft ausdrücklich vor. Gem. § 3 der Satzung konnten u. a. natürliche Personen die Mitgliedschaft erwerben. Nach § 6 Abs. 1 der Satzung kann ein Mitglied jederzeit sein Geschäftsguthaben durch schriftlichen Vertrag einem anderen übertragen. Es scheidet hierdurch ohne Auseinandersetzung aus der Genossenschaft aus. Damit korrespondiert die Regelung des § 10 Abs. 1 S. 2 der Satzung. Danach ist im Fall der Übertragung des Geschäftsguthabens eine Auseinandersetzung ausgeschlossen. Ansonsten hat das ausscheidende Mitglied einen Anspruch auf Zahlung des Auseinandersetzungsguthabens. Wie sich dieses zusammensetzt, lässt die Satzung offen. Maßgeblich sind damit die gesetzlichen Regelungen des Genossenschaftsgesetzes. Gem. § 73 Abs. 2 GenG vollzieht sich die Auseinandersetzung wie folgt: „Die Auseinandersetzung erfolgt unter Zugrundelegung der Bilanz. Das Geschäftsguthaben des Mitglieds ist vorbehaltlich des § 73 Abs 4 GenG und des § 8a Abs. 2 GenG binnen sechs Monaten nach Beendigung der Mitgliedschaft auszuzahlen. Auf die Rücklagen und das sonstige Vermögen der Genossenschaft hat das Mitglied vorbehaltlich des § 73 Abs. 3 GenG keinen Anspruch. Nach der letztgenannten Regelung kann die Satzung Mitgliedern, die ihren Geschäftsanteil voll eingezahlt haben, für den Fall der Beendigung der Mitgliedschaft einen Anspruch auf Auszahlung eines Anteils an einer zu diesem Zweck aus dem Jahresüberschuss zu bildenden Ergebnisrücklage einräumen. Die Satzung kann diesen Anspruch von einer Mindestdauer der Mitgliedschaft abhängig machen sowie weitere Erfordernisse aufstellen und Beschränkungen des Anspruchs vorsehen. Solche Regelungen enthält die Satzung der verschmolzenen Genossenschaft jedoch gerade nicht. Damit verbleibt es bei den gesetzlichen Regelungen. Danach beträgt das Auseinandersetzungsguthaben die Höhe des Geschäftsguthabens abzüglich etwaiger Verlustbeteiligungen (vgl. OLG Dresden, Urteil vom 10. Dezember 2003, Az.: 12 U 1209/03 Rn. 19, zitiert nach juris). Eine Abbildung des tatsächlichen Werts der Beteiligung bezogen auf den Wert des Unternehmens erfolgt dementsprechend gerade nicht. Damit korrespondiert die Satzung mit der Regelung des § 85 Abs. 1 UmwG. Maßgeblich ist allein die Höhe des Geschäftsguthabens und eben nicht der tatsächliche Wert der Genossenschaft heruntergebrochen auf den einzelnen Anteil.Randnummer22

(5) Dass dies für die Liquidation in § 91 GenG anders geregelt ist, bietet keinen Anlass für eine abweichende Beurteilung. Bei der Liquidation geht es um die Beendigung der Genossenschaft und ihre Beseitigung als juristische Person. Verbleibt in ihrem Rahmen ein Vermögen, ist es nur logisch, dieses auf die Anteilseigner nach Köpfen (vgl. § 91 Abs. 2 GenG) oder einem anderen, in der Satzung verankerten Schlüssel (vgl. § 91 Abs. 3 GenG) zu verteilen. Es gibt ja sonst niemanden, auf den das Vermögen verteilt werden könnte. Dabei kann – entgegen der Auffassung des Antragstellers und gemeinsamen Vertreters – die Liquidation nicht mit der Verschmelzung gleichgesetzt werden. Das Endergebnis der Liquidation ist die rückstandslose Auflösung der Genossenschaft. Im Falle der Verschmelzung lebt diese aber mit der eingebrachten Substanz in der Genossenschaft weiter, auf die sie verschmolzen wurde. Vor diesem Hintergrund verbleibt es bei der gesetzlichen Regelung des § 85 Abs. 1 UmwG. Auch unter diesem Gesichtspunkt erweist sich daher der Antrag des Antragstellers als unzulässig.Randnummer23

(6) Die Kammer hegt dabei keine Bedenken hinsichtlich einer etwaigen Verfassungswidrigkeit dieser Regelung und sieht daher von einer Vorlage gem. Art. 100 GG an das Bundesverfassungsgericht als nicht veranlasst ab. Dies gilt auch im Hinblick darauf, dass der Antragsteller wie jedes andere Mitglied der verschmolzenen Genossenschaft schon beim Erwerb der Mitgliedschaft anhand der Satzung ersehen konnte, dass im Falle der Übertragung von Anteilen und Mitgliedschaft das Geschäftsguthaben die maßgebliche Grundlage für die Ermittlung des Auszahlungsbetrages an das Mitglied ist und es insoweit gerade nicht auf den „wahren“ Wert der Genossenschaft ankommt.Randnummer24

c) Ein der hiesigen Entscheidung vorgeschalteter Hinweis zur Unzulässigkeit des Antrags auf Durchführung des Spruchverfahrens war trotz einer entsprechenden Bitte des Antragstellers nicht veranlasst.Randnummer25

aa) In seinem Schriftsatz vom 27.05.2022 äußerte sich der Antragsteller dahingehend, dass er „angesichts der bisherigen Hinweise und der bisherigen prozessleitenden Schritte des Gerichts“ davon ausgeht, dass das Gericht „keine Zweifel an der Statthaftigkeit und Zulässigkeit“ seines Antrags hat. Für den Fall, dass das Gericht entgegen seinen bisherigen Einschätzungen doch Bedenken an der „Statthaftigkeit und/oder Zulässigkeit“ seines Antrags haben sollte, bittet der Antragsteller um einen entsprechenden richterlichen Hinweis und um die Einräumung einer entsprechenden Frist zu ergänzender Stellungnahme.Randnummer26

bb) Das Gericht hat bislang keine Hinweise zur Zulässigkeit des Antrags des Antragstellers erteilt. Die bisherigen prozessierenden Schritte entsprechen dem üblichen Verfahren nach dem Eingang eines Antrags auf Durchführung eines Spruchverfahrens und sagen über die Statthaftigkeit des Antrags als eine Voraussetzung dessen Zulässigkeit nichts aus.Randnummer27

cc) Gem. § 7 Abs. 5 SpruchG kann das Gericht den Beteiligten die Ergänzung oder Erläuterung ihres schriftlichen Vorbringens sowie die Vorlage von Aufzeichnungen aufgeben, insbesondere eine Frist zur Erklärung über bestimmte klärungsbedürftige Punkte setzen. In jeder Lage des Verfahrens ist darauf hinzuwirken, dass sich die Beteiligten rechtzeitig und vollständig erklären. Darüber hinaus ergibt sich aus der Regelung des § 8 Abs. 3 SpruchG die entsprechende Anwendbarkeit des § 139 ZPO. Gem. § 139 Abs. 2 ZPO darf das Gericht seine Entscheidung auf einen Gesichtspunkt, den eine Partei erkennbar übersehen oder für unerheblich gehalten hat, soweit nicht nur eine Nebenforderung betroffen ist, nur stützen, wenn es darauf hingewiesen und Gelegenheit zur Äußerung dazu gegeben hat. Dasselbe gilt für einen Gesichtspunkt, den das Gericht anders beurteilt als beide Parteien. Die über die Erörterung nach § 139 Abs. 1 ZPO hinausgehende Pflicht zum konkreten Hinweis auf entscheidungserhebliche Gesichtspunkte dient vor allem der Vermeidung von Überraschungsentscheidungen und konkretisiert damit den Anspruch auf rechtliches Gehör, übersteigt aber die verfassungsrechtlichen Mindestanforderungen. Sie erstreckt sich auf rechtliche und tatsächliche Gesichtspunkte und entfällt, wenn nur eine Nebenforderung betroffen ist. Eine Hinweispflicht wird dabei aber nur ausgelöst, wenn eine Partei einen Gesichtspunkt oder dessen Bedeutung übersehen hat zur Vermeidung einer Überraschungsentscheidung oder wenn das Gericht in seiner Beurteilung von der der Parteien abweicht. Bei einer zwischen diesen streitigen Frage muss das Gericht dagegen nicht nach § 139 Abs. 2 ZPO kundtun, welcher Partei es in der Beurteilung zu folgen gedenkt (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 139 Rn. 8).Randnummer28

dd) Die Frage der Statthaftigkeit des Spruchverfahrens ist in den Schriftsätzen aller Beteiligter letztlich der Schlüssel zur Endentscheidung mit oder ohne Unternehmensbewertung. Es wurden ersichtlich alle denkbaren Argumente wechselseitig ausgetauscht. Beide Seiten sind sich darüber im Klaren, dass die Entscheidung des Gerichts so oder so ausfallen kann bzw. wird. In einer derartigen Situation das Gericht verpflichtet zu sehen, seine Meinung vorab bekanntzugeben, um Gelegenheit zu geben, weiter ergänzend vorzutragen, um dessen Auffassung vielleicht doch noch zu revidieren, findet damit keine prozessrechtliche Stütze. Dementsprechend bestand vorliegend trotz der Bitte des Antragstellers weder Pflicht noch Anlass für das Gericht, seine Einschätzung vorab mitzuteilen. Aus Sicht der Antragsgegnerin hätte eine solche Vorabmitteilung eher Zweifel an der Neutralität des Gerichts gesät.Randnummer29

d) Die Anberaumung eines Termins zur mündlichen Verhandlung war vorliegend ebenfalls nicht erforderlich.Randnummer30

aa) Gem. § 8 Abs. 1 S. 1 SpruchG soll das Gericht aufgrund mündlicher Verhandlung entscheiden. § 8 Abs. 1 Satz 1 SpruchG schreibt eine mündliche Verhandlung damit nicht zwingend vor, macht sie jedoch zur Regel. Davon abzuweichen, kommt nach dem Gesetzeszweck nur ausnahmsweise in Betracht, wenn es keine Fragen gibt, deren Erörterung mit den Parteien oder dem sachverständigen Prüfer sinnvoll ist. Das ist bei (offensichtlich) unzulässigen Anträgen der Fall, sonst aber schwer vorstellbar (vgl. Mennicke in: Lutter, Umwandlungsgesetz, 6. Aufl. 2019, § 8 SpruchG Rn. 2).Randnummer31

bb) Vorliegend hat das Gericht den Antrag als unzulässig eingestuft. Zwar ist diese Unzulässigkeit nicht offensichtlich, hängt sie doch von der bislang – soweit ersichtlich – noch nicht richterlich entschiedenen Frage ab, ob bei einer Verschmelzung zweier Genossenschaften das Mitglied der übergebenden Genossenschaft an deren wahren Wert zu beteiligen ist. Von einer Erörterung dieser Frage in einem Termin sind aber keinerlei neue Erkenntnisse zu erwarten, die für die Entscheidung über den Antrag des Antragstellers relevant sein können. In tatsächlicher Hinsicht strittig zwischen den Parteien sind etwaige falsche und unzureichende Informationen der Vertreterversammlung bzw. der Mitglieder der Genossenschaft und damit verbundene etwaige Pflichtverletzungen deren Vorstands. Diese Punkte sind jedoch für die hiesige Entscheidung nicht relevant und damit entscheidungsunerheblich. Der wechselseitige Sachvortrag zu der oben formulierten Frage ist demgegenüber unstrittig, sondern wird „nur“ rechtlich kontrovers beurteilt. Eine mündliche Verhandlung erschöpfte sich damit insoweit in einer mündlichen Wiederholung der schriftsätzlich bereits umfangreich ausgetauschten Argumente und bot damit keinen Mehrwert für die zu treffende Entscheidung. Auch eine gütliche Einigung in einem Vergleichsgespräch ist vorliegend ersichtlich ausgeschlossen, geht es dem Antragsteller und dem gemeinsamen Vertreter doch (auch) um eine grundsätzliche Klärung der hier entschiedenen Rechtsfrage.Randnummer32

e) Die vom gemeinsamen Vertreter beantrage Erholung eines Rechtsgutachtens kam nicht in Betracht, erst recht nicht durch den vorgeschlagenen Sachverständigen, bei dem nicht zu erwarten ist, dass er nach einer unvoreingenommenen und neutralen Prüfung zu einem von seiner eigenen Kommentierung abweichenden Ergebnis kommt. Die Einholung eines Rechtsgutachtens durch das Gericht zu in Deutschland geltenden, deutschen Rechtsnormen ist dem gerichtlichen Sachverständigenbeweis wesensfremd. Der Sinn und Zweck des Sachverständigenbeweises besteht darin, dass der Sachverständige als Gehilfe des Richters seine besondere Sachkunde zur Verfügung stellt, um aus bestimmten Tatsachen konkrete Schlussfolgerungen zu ziehen, Kenntnisse von Erfahrungssätzen zu vermitteln oder mit besonderem Fachwissen Tatsachen festzustellen, und dadurch die Erkenntnismöglichkeiten des Gerichts zu erweitern. Für Rechtsfragen lautet der Grundsatz des deutschen Rechtes dagegen „iura novit curia“, also dass der Richter das Recht kennen (bzw. selbständig feststellen), auslegen und anwenden muss. Die Rechtsermittlung obliegt dem Richter selbständig und in vollem Umfange, soweit der Grundsatz des „iura novit curia“ gilt, insbesondere in dem weiten Bereich des deutschen Gesetzesrechts. Dies bedeutet für das Gericht im Einzelnen, dass es entweder die genaue Kenntnis vom anzuwendenden Recht hat oder dass es dieses Recht ermitteln muss, sei es durch Studium von Literatur und Rechtsprechung oder durch Informationen von Kollegen, wissenschaftlichen Mitarbeitern oder anderen Fachleuten. Diese Art der richterlichen Information über die Rechtslage ist ein interner Vorgang und hat keinerlei Verbindung zu einem Beweisverfahren. Die Kenntnis des allgemein gültigen, in Deutschland geltenden deutschen Rechts und auch des gemäß Art. 25 bzw. Art. 59 Absatz 2 GG transformierten Völkerrechts sowie des Rechts der EU wird vom deutschen Richter dabei bedingungslos gefordert. Soweit ein Gericht zur Beurteilung inländischen Rechts ein Sachverständigengutachten einholt, liegt deshalb eine unrichtige Sachbehandlung im Sinne des § 8 Gerichtskostengesetz (GKG) vor, weil die Anwendung inländischen Rechts originäre richterliche Aufgabe ist, die einem Sachverständigen nicht überlassen werden darf. Ein Sachverständigengutachten im gerichtlichen Verfahren ist ein Beweismittel zur Feststellung von Tatsachen, nicht zur Feststellung der Rechtslage. Der Sachverständige hat nicht die Aufgabe, den entscheidungserheblichen Prozessstoff zusammenzustellen, zu ordnen oder in rechtlicher Hinsicht zu bewerten. Eine Ausnahme von dem Grundsatz, dass eine Beweisaufnahme nur über streitige Tatsachen, nicht aber Rechtsnormen durchzuführen ist, sieht das Gesetz nur in § 293 ZPO bezüglich der Feststellung ausländischen Rechts, Gewohnheitsrechts oder von Statuten vor. Für die Auslegung inländischen Rechts gilt dies nicht, auch wenn es sich um komplexe wirtschaftliche Zusammenhänge handelt. Auch der Umstand, dass sich eine Materie zum „Spezialgebiet“ entwickelt hat, ist kein Grund, ein Gutachten einzuholen (vgl. Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 08.03.2021, Az.: L 7 KO 7/18 (KR) Rn. 38 mit zahlreichen weiteren Nachweisen, zitiert nach juris).Randnummer33

f) Die Antragsgegnerin ist auch nicht wegen einer fehlenden Signatur der Antragserwiderung nicht mit ihrem Sach- und erst recht nicht mit ihrem Rechtsvortrag präkludiert. Vielmehr hat sie ihre Antragserwiderung ordnungsgemäß bei Gericht eingereicht.Randnummer34

aa) Maßgeblich sind insoweit die Regelungen der §§ 17 Abs. 1 SpruchG, 14 Abs. 1 FamFG i. V. m. § 130a ZPO. Hinsichtlich der Übermittlung von Dokumenten im Rahmen des elektronischen Rechtsverkehrs enthalten das SpruchG und das FamFG keine besonderen eigenen Regelungen. Gem. § 17 Abs. 1 SpruchG finden, sofern im SpruchG nichts anderes bestimmt ist, auf das Verfahren die Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit Anwendung. Gem. § 14 Abs. 2 FamFG können Anträge und Erklärungen der Beteiligten sowie schriftlich einzureichende Auskünfte, Aussagen, Gutachten, Übersetzungen und Erklärungen Dritter als elektronisches Dokument übermittelt werden. Für das elektronische Dokument gelten dabei § 130a ZPO der Zivilprozessordnung, auf dieser Grundlage erlassene Rechtsverordnungen sowie § 298 ZPO entsprechend. Nach § 130a Abs. 3 S. 1 ZPO muss das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur der verantwortenden Person versehen sein oder von der verantwortenden Person signiert und auf einem sicheren Übermittlungsweg eingereicht werden.Randnummer35

Was sichere Übermittlungswege sind, ergibt sich aus § 130a Abs. 4 ZPO. Gem. Nr. 2 dieser Regelung gehört dazu der Übermittlungsweg zwischen dem besonderen elektronischen Anwaltspostfach nach § 31a BRAO oder einem entsprechenden, auf gesetzlicher Grundlage errichteten elektronischen Postfach und der elektronischen Poststelle des Gerichts.Randnummer36

bb) Wie sich aus dem Prüfvermerk zur Übermittlung des Schriftsatzes der Antragsgegnerin vom 19.04.2022 (Bl. 67 d. A.) ergibt, wurde dieser nicht qualifiziert signiert übermittelt, sondern ging am 19.04.2022 um 16:34:59 Uhr beim … ein. Versendet wurde er aus dem besonderen Anwaltpostfach des Vertreters der Antragsgegnerin, Rechtsanwalt …. Unter „Angaben zur Nachricht“ ist der sichere Übermittlungsweg aus einem besonderen Anwaltspostfach ausdrücklich bestätigt. Nachdem der Name des Vertreters der Antragsgegnerin am Ende des Schriftsatzes wiedergegeben ist, liegt die weiter erforderliche einfache Signatur auch vor (vgl. Greger in: Zöller, ZPO, 34. Aufl. 2022, § 130a Rn 9). Vor diesem Hintergrund sind die Voraussetzungen des § 130a ZPO erfüllt, was jedwede Präklusion von Vorbringen aus dem Schriftsatz vom 19.04.2022 ausschließt.Randnummer37

g) Soweit der Antragsteller ausführt, dass „hilfsweise der … beim Antragsteller verloren gegangene Wert in Höhe von 1.063,00 Euro als Schadensersatzanspruch geltend gemacht“ wird, war eine Entscheidung nicht veranlasst.Randnummer38

aa) Das Begehren des Antragstellers ist auf die Durchführung eines Spruchverfahrens gerichtet. Dies ergibt sich aus dem Begleitschreiben des Antragstellers zur Antragsschrift vom 01.12.2021 (Bl. 1 d. A.) und aus der Überschrift der Antragsschrift, die im Fettdruck lautet wie folgt: „Antrag auf gerichtliche Entscheidung gem. §§ 15 Abs. 1 S. 2, 85 UmwG i.V.m. § 4 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 SpruchG“. Als förmlichen Antrag wird sodann gebeten, dass der Antragsgegner an den Antragsteller zur Kompensation des durch die Fusion entstandenen Wertverlustes seiner beiden Genossenschaftsanteile einen Betrag in Höhe von 1.063,00 € zahlt. Auf Seite 5 seiner Antragsschrift stellt der Antragsteller klar, dass er eine Unternehmensbewertung möchte und die Höhe des Ausgleichs in das Ermessen des Gerichts stellt. Ein konkretes Zahlungsbegehren unterbreitet er damit dem Gericht nicht.Randnummer39

bb) Die oben zitierte Formulierung zur hilfsweisen Geltendmachung eines Schadensersatzanspruchs ist nicht als förmlicher Hilfsantrag zum „Hauptantrag“ zu sehen. Zum einen erfolgt insoweit keine förmliche oder ausdrückliche Antragstellung. Zum anderen wäre eine solche hilfsweise erhobene Zahlungsklage unzulässig. Das Spruchverfahren ist in seinem Anwendungsbereich der ausschließliche Rechtsbehelf zur Bestimmung von Ausgleich, Abfindung und Zuzahlung. Eine andere Form der gerichtlichen Bestimmung – insbesondere im Rahmen einer Klage auf Zahlung eines die ursprünglich festgesetzte Abfindung bzw. den ursprünglich festgesetzten Ausgleich übersteigenden Betrages – ist also ausgeschlossen. Solange das Spruchverfahren nicht rechtskräftig abgeschlossen ist, wäre eine solche Zahlungsklage nach § 148 ZPO auszusetzen (vgl. Mennicke in: Lutter, Umwandlungsgesetz, 6. Aufl. 2019, § 1 SpruchG Rn. 18 m. w. N.). Ein solcher – rechtskräftiger – Abschluss des Spruchverfahrens liegt aber hier nicht vor. Es ist sicher im Sinne der Erfüllung der prozessualen Fürsorgepflicht, bei entsprechender Möglichkeit einen unzulässigen Antrag oder Rechtsbehelf in einen zulässigen umzudeuten. Es widerspräche indes dieser Pflicht, einen nicht eindeutig gestellten „Antrag“ in einen unzulässigen umzuinterpretieren.Randnummer40

cc) Etwaige Pflichtverletzungen des Vorstands bei der Information der Vertreterversammlung und der Mitglieder waren vor diesem Hintergrund nicht zu prüfen. Eine Unternehmensbewertung war nicht durchzuführen. Diese wäre nur bei einem zulässigen Antrag auf Durchführung eines Spruchverfahrens veranlasst gewesen.Randnummer41

3. Die Nebenentscheidungen ergeben sich wie folgt:Randnummer42

a) Die Entscheidung über die Kosten richtet sich nach § 15 Abs. 1 SpruchG. Der Antragsteller trägt seine außergerichtlichen Kosten, auch die notwendigen, selbst. Die grundsätzliche Aufbürdung dieses begrenzten Kostenrisikos soll vor einer übereilten oder mutwilligen Antragstellung abhalten (Klöcker/Wittgens in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 15 SpruchG Rn. 17). Die Kosten des gemeinsamen Vertreters trägt die Antragsgegnerin gem. § 6 Abs. 2 SpruchG wie auch die Gerichtskosten (§ 23 Nr. 14 GNotKG) und ihre außergerichtlichen Kosten. Eine Billigkeitsentscheidung dahingehend, dass abweichend von der getroffenen Entscheidung auch der Antragsteller an den Kosten der Antragsgegnerin oder den Gerichtskosten wenigstens teilweise beteiligt wird, war vorliegend nicht veranlasst; denn dies käme nur in Betracht bei aus ex-ante-Sicht offensichtlich unzulässigen oder unbegründeten Anträgen (vgl. Klöcker/Wittgens in: Schmidt, K./Lutter, AktG, 4. Aufl. 2020, § 15 SpruchG Rn. 11). Wie bereits ausgeführt ist eine derartige offensichtliche Unzulässigkeit des Antrags des Antragstellers indes vorliegend nicht festzustellen. Vielmehr gibt es zu der im Antrag letztlich aufgeworfenen Frage, ob bei einer Verschmelzung zweier Genossenschaften das Mitglied der übergebenden Genossenschaft an deren wahren Wert zu beteiligen ist, soweit ersichtlich keine Rechtsprechung, demgegenüber aber kritische Literatur, die eine solche Beteiligung für verfassungsrechtlich geboten hält. Vor diesem Hintergrund blieb für eine abweichende Billigkeitsentscheidung nicht der dafür erforderliche Raum.Randnummer43

b) Die Festsetzung des Gegenstandswerts beruht auf § 74 Abs. 1 GNotKG.

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