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OLG Hamburg, Urteil vom 29.06.2007 – 11 U 141/06

§ 112 HGB, § 76 AktG, § 88 AktG

1. Ein Rechtsverhältnis im Sinne von § 256 ZPO ist eine bestimmte, rechtlich geregelte Beziehung einer Person zu anderen Personen oder zu Gegenständen. Dagegen darf ein Feststellungsurteil weder die Beurteilung einer nur gedachten Rechtsfrage aussprechen noch eine bestimmte rechtserhebliche Tatsache feststellen (vgl. Bundesgerichtshof (BGH), Urteil vom 15.10.1956 – III ZR 226/55, BGHZ 22, 43 ff, 47). Es ist anerkannt, dass etwa Gesellschafterbeschlüsse feststellungsfähige Rechtsverhältnisse sind (vgl. BGH, Urteil vom 21.10.1991 – II ZR 211/90, NJW-RR 1992, 227). Vorliegend geht es um die ähnlich gelagerte Frage, ob sich aus den gesellschaftsrechtlichen Verbindungen der Parteien die Notwendigkeit einer Zustimmung sämtlicher Gesellschafter ergibt. Die Klägerin möchte diese Frage „abstrakt und unabhängig“ von der Wiederbestellung von Dr. K. klären lassen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist die Feststellung einer reinen Rechtsfrage allerdings unzulässig (vgl. BGH, Urteil vom 04.10.2000 – VIII ZR 289/99, WM 2001, 378, 380). Um eine solche handelt es sich hier aber nicht, denn der Klägerin geht es sehr wohl um die konkreten Rechte und Pflichten der Parteien. Dass sie diese „abstrakt“ klären lassen möchte, bedeutet in diesem Zusammenhang lediglich, dass sie die Bestellung von Dr. K. als solche nicht angreift. Gleichwohl geht es ihr nicht um die Beantwortung einer reinen Rechtsfrage nach dem Bestehen eines Wettbewerbsverbots unabhängig von einer konkreten Gesellschaft, sondern um ihr vermeintliches Recht, zukünftig bei jeder Doppelbestellung von Vorständen der Beklagten zu 2) zu Vorständen auch der Beklagten zu 1) ihre Einwilligung erteilen zu müssen. Dieses potentielle Rechtsverhältnis ist (im Falle seines Bestehens) auch gegenwärtig, da die Bestellung zum Vorstandsmitglied gemäß § 84 Abs.3 Satz 1 AktG jederzeit aus wichtigem Grund widerrufen werden kann, so dass nicht auszuschließen ist, dass das Rechtsverhältnis vor Ablauf der regulären Amtszeit von Dr. K. wieder akut wird. Aufgrund der jahrelangen Praxis ist davon auszugehen, dass die BAG auch zukünftig den jeweiligen Vorstandsvorsitzenden der G+J AG in ihren Vorstand wird berufen wollen. Zudem könnte die BAG jederzeit weitere Vorstände der G+J AG in ihren Vorstand berufen wollen. Dies begründet eine hinreichende Gefahr für die möglichen Rechte der Klägerin, die es ihr gestattet, die Frage nach einem Wettbewerbsverbot durch Feststellungsklage klären zu lassen.

2. Inwieweit die Vorstandsmitglieder einer Komplementär-AG einem Wettbewerbsverbot zugunsten der Kommanditgesellschaft unterliegen, ist bisher, soweit ersichtlich, in der obergerichtlichen Rechtsprechung nicht behandelt worden. In der rechtswissenschaftlichen Literatur wird zumeist nur auf die Frage eingegangen, ob der Geschäftsführer einer Komplementär-GmbH einem Wettbewerbsverbot unterliegt. Eine beachtliche Meinung in der Literatur möchte ein unmittelbares Wettbewerbsverbot des Geschäftsführers der Komplementär-GmbH aus dem Gesichtspunkt einer drittschützenden Wirkung des Anstellungsvertrags zwischen GmbH und Geschäftsführer zugunsten der Kommanditgesellschaft herleiten ( Breitfeld in: Sudhoff, GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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, 6. Auflage 2005, § 15 Rnr. 83; Doehner/Hofmann in: Münch. Hdb. KG, 2. Auflage 2004, § 16 Rnr. 57; Gummert ebd., § 52 Rnr. 20; Grunewald in: MünchKomm. HGB, 2. Auflage 2007, § 165 Rnr. 14 a.E.; Hesselmann/Tillmann , Handbuch der GmbH & Co., 17. Auflage 1991, Rnr. 410; Horn in: Heymann, Handelsgesetzbuch, 2. Auflage 1996, § 165 Rnr. 1; Riegger , BB 1983, 90, 91; Schilling in: Staub, Großkommentar HGB, 4. Auflage 1988, § 165 Rnr. 6; von Gerkan in: Röhricht/Graf von Westphalen, Handelsgesetzbuch, 2. Auflage 2001, § 165 Rn. 18). Zur Begründung wird auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs verwiesen, wonach die anstellungsvertraglichen Pflichten des Geschäftsführers der ausschließlich als Komplementärin tätigen GmbH in der GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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drittschützende Wirkung zugunsten der Kommanditgesellschaft entfalten und eine Haftung nach § 43 Abs.2 GmbHG begründen können (vgl. BGH, Urteil vom 12.11.1979 – II ZR 174/77, BGHZ 75, 321 ff, 323 ff; vom 24.03.1980 – II ZR 213/77, BGHZ 76, 326 ff, 337 f; vom 17.03.1987 – VI ZR 282/85, BGHZ 100, 190 ff, 193; vom 14.11.1994 – II ZR 160/93, NJW 1995, 1353 ff, 1357). Speziell für den Vorstand der AG & Co. KG wird in der Literatur vertreten, das Wettbewerbsverbot des § 88 Abs.1 Satz 2 AktG entfalte drittschützende Wirkung zugunsten der Kommanditgesellschaft ( Hüffer , AktG, 7. Aufl. 2006, § 88 Rn. 4; Kort in: Großkomm. AktG, 4. Auflage 2006, § 88 Rnr. 47). Teilweise wird auch der Standpunkt eingenommen, dass der Geschäftsführer in gleicher Weise dem Wettbewerbsverbot unterliege wie die Komplementärin selbst ( Armbrüster , ZIP 1997, 261 ff, 272; Koller in: Koller/Roth/Morck, HGB, 6. Auflage 2007, § 165 Rnr 2; Wertenbruch in: Westermann, Hdb. der Personengesellschaft, Stand Oktober 2005, Rnr.I, 448a). Dabei wird zur Begründung auf die Heumann/Ogilvy-Entscheidung des Bundesgerichtshofs (Urteil vom 05.12.1983 – II ZR 242/82, BGHZ 89, 162 ff, 166) verwiesen, wonach das Wettbewerbsverbot sich auf das Innenverhältnis der Gesellschafter bezieht, so dass es nicht maßgeblich ist, welche Stellung der Verpflichtete nach außen hin einnimmt – auf Ebene der Gesellschafter unterliegt derjenige einem Wettbewerbsverbot, der im Innenverhältnis ausschlaggebend die Geschicke der Gesellschaft bestimmt.

Nach Auffassung des Senats unterliegen jedenfalls die Vorstände der Komplementär-AG keinem direkten Wettbewerbsverbot gegenüber der Kommanditgesellschaft. Ob sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Haftung des GeschäftsführersBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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Haftung des Geschäftsführers
in der GmbH & Co. ein Wettbewerbsverbot ableiten lässt, kann dahin gestellt bleiben. Denn anders als in der GmbH, in der das gesetzlich nicht niedergelegte Wettbewerbsverbot häufig auch als Ausfluss dienstvertraglicher Treuepflichten angesehen wird (z.B. BGH, Urteil vom 08.05.1967 – II ZR 126/65, WM 1967, 679; vom 09.11.1967 – II ZR 64/67, BGHZ 49, 30 ff, 31; vom 24.11.1975 – II ZR 104/73, WM 1976, 77; siehe auch Goette , Die GmbH, 2. Auflage 2002, § 8 Rnr. 142 ff, der das Wettbewerbsverbot im Abschnitt „Anstellungsverhältnis“ behandelt und nicht beim „Organverhältnis“), wurzelt das Wettbewerbsverbot des Vorstands aus § 88 AktG in der organschaftlichen Treuepflicht ( Fleischer , AG 2005, 336, 337; Hefermehl/Spindler in: MünchKomm. AktG, 2. Auflage 2004, § 76 Rnr. 14; Hüffer , a.a.O., § 84 Rnr. 9), die zwar mit der durch das Anstellungsverhältnis erzeugten Pflicht kongruent gehen mag (so Fleischer , WM 2003, 1045, 1046), von dieser aber in ihrem Geltungsgrund zu unterscheiden ist ( Hopt in: Großkommentar AktG, 4. Auflage 1999, § 93 Rnr. 164, 225; Möllers in: Hommelhoff/Hopt/v.Werder, Hdb. Corporate Governance, 2003, S. 405, 411; zum Unterschied zwischen Anstellungsverhältnis und Organstellung siehe auch BGH, Urteil vom 24.11.1980 – II ZR 182/79, BGHZ 79, 38 ff, 41 f; vom 14.11.1983 – II ZR 33/83, BGHZ 89, 48 ff, 52).

Bei der Aktiengesellschaft kommt es nicht in Betracht, dem Anstellungsvertrag oder den Organpflichten Schutzwirkung zugunsten der Gesellschafter der Kommanditgesellschaft zuzuerkennen. Dies folgt zunächst daraus, dass die aus der Organstellung begründeten Pflichten nach allgemeiner Ansicht nur gegenüber der Aktiengesellschaft selbst bestehen (BGH, Urteil vom 09.07.1979 – II ZR 211/76, NJW 1979, 1829; Hopt , a.a.O., § 93 Rnr. 492 m.w.N.). Aber auch eine eventuell parallel aus dem Anstellungsvertrag bestehende Pflicht entfaltet keine Schutzwirkung zugunsten der Kommanditgesellschaft. Dies wird allenfalls für den hier nicht gegebenen Fall einer Drittanstellung des Vorstands diskutiert ( Hopt , a.a.O., § 93 Rnr. 493). Hinzu kommt, dass der Geschäftsführer einer GmbH – anders als der Vorstand – die Gesellschaft nicht unter eigener Verantwortung zu leiten hat, sondern den Weisungen der Gesellschafter unterworfen ist (vgl. BGH, Urteil vom 14.12.1959 – II ZR 187/57, BGHZ 31, 258 ff, 278). Dies mag es nahe legen, auch gegenüber den Gesellschaftern der von der GmbH geleiteten Kommanditgesellschaft eine unmittelbare Pflichtenbeziehung anzunehmen. Mit der eigenverantwortlichen Leitung im Sinne des § 76 Abs.1 AktG ist es demgegenüber nicht zu vereinbaren, den Vorstand einer direkten Pflichtenbindung gegenüber außenstehenden Dritten zu unterwerfen, die als solche noch nicht einmal gegenüber den eigenen Aktionären besteht (vgl. dazu BGH, Urteil vom 25.02.1982 – II ZR 174/80, BGHZ 83, 122 ff, 134). Die Verpflichtung aus § 88 Abs.1 AktG ist Teil der organschaftlichen Pflichten des Vorstands und berechtigt daher nur die Aktiengesellschaft selbst (vgl. § 88 Abs.2 AktG).

Auch aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Erstreckung des Wettbewerbsverbots aus § 112 HGB auf den beherrschenden Gesellschafter in der GmbH & Co. KGBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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lässt sich kein direktes Wettbewerbsverbot der Vorstandsmitglieder ableiten. Der mittelbar beherrschende Gesellschafter unterliegt deshalb einem direkten Wettbewerbsverbot, weil für die Gesellschaft eine besondere Gefährdungslage entsteht, wenn ein herrschender Gesellschafter außerhalb der Gesellschaft unternehmerisch tätig wird und dabei von der durch die Abhängigkeit begründeten Herrschaftsmöglichkeit jederzeit zum Nachteil der Gesellschaft Gebrauch machen kann (vgl. BGHZ 89, 162 ff, 166; BGH, Urteil vom 05.02.1979 – II ZR 210/76, NJW 1980, 231). Vor dem Hintergrund dieser Gefährdungslage kann das Wettbewerbsverbot auch gegenüber der Muttergesellschaft durchgreifen ( Reuter , AG 1986, 130, 131; Wiedemann/Hirte , ZGR 1986, 163 ff, 165). Für den Vorstand der Komplementär-AG enthält § 88 AktG allerdings ein ausdrückliches Wettbewerbsverbot gegenüber der Aktiengesellschaft. Dies schließt nicht gänzlich aus, dass hinsichtlich der Beziehung zur Kommanditgesellschaft eine Regelungslücke besteht, die durch eine analoge Anwendung des § 112 HGB auf den Vorstand persönlich geschlossen werden müsste. Auf der anderen Seite entspricht es aber der ganz herrschenden Meinung, dass das Wettbewerbsverbot des § 112 HGB, soweit es um natürliche Personen als Gesellschafter geht, auf Vertreter des Gesellschafters keine Anwendung findet ( Emmerich in: Heymann, a.a.O., § 112 Rnr. 12; Goette in: Ebenroth/Boujong/Joost, Handelsgesetzbuch, 2001, § 112 Rnr. 6; Baumbach/Hopt , HGB, 32. Auflage 2006, § 112 Rnr. 2; Langhein in: MünchKomm. HGB, 2. Auflage 2006, § 112 Rnr. 9; Martens in: Schlegelberger, Handelsgesetzbuch, 5. Auflage 1992, § 112 Rnr. 3; Ulmer in: Staub, a.a.O., § 112 Rn. 10). Es kommt daher darauf an, ob der Vorstand der Komplementär-AG eher dem gesetzlichen Vertreter einer natürlichen Person oder aber einem beherrschenden Gesellschafter gleichzustellen ist. Der Senat folgt der ersten Auffassung. Letztlich ist im Falle der Vorstandsmitglieder bereits die dem personengesellschaftsrechtlichen Wettbewerbsverbot zugrunde liegende Schutzrichtung nicht vergleichbar. Das Wettbewerbsverbot des § 112 Abs.1 HGB knüpft nicht allein an die Geschäftsführungskompetenz an, sondern an die Stellung als persönlich haftender Gesellschafter, so dass auch ein nicht geschäftsführender Komplementär dem Wettbewerbsverbot unterliegt (BGHZ 89, 162, 165). Kehrseite der persönlichen Haftung ist in der Regel eine bevorzugte Behandlung bei der Gewinnverteilung in der Kommanditgesellschaft (vgl. Baumbach/Hopt , a.a.O., § 168 Rnr. 2), die letztlich auch dem mittelbar beherrschenden Gesellschafter zugute kommt. Vor diesem Hintergrund trifft § 112 HGB eine Regelung für denjenigen, der sich im eigenen wirtschaftlichen Interesse an einem Unternehmen beteiligt: Wer bestimmte Einsichtsmöglichkeiten und Einflussrechte hat und auf der anderen Seite auch voll am Gewinn partizipiert, soll im Handelszweig der Gesellschaft nicht anderweitig tätig sein. Vorstände sind dagegen Fremdinteressenwahrer (vgl. dazu Hopt , ZGR 2004, 1 ff, 5, 39). Sie werden nicht um des eigenen Gewinns willen tätig, sondern erhalten eine feste – möglicherweise auch erfolgsabhängige – Vergütung dafür, dass sie im Interesse der Aktionäre das beste wirtschaftliche Ergebnis zu erzielen suchen. Vor diesem Hintergrund ist es wertungsmäßig nicht überzeugend, die Pflicht des § 112 HGB auf die Vorstandsmitglieder persönlich zu erstrecken, obwohl diese als solche nicht an der gemeinsamen Zweckverfolgung der Kommanditgesellschaft und dem daraus erwirtschafteten Gewinn teilhaben. Ebenso wenig wie die Geschäftsführungstätigkeit des Vorstands in der Kommanditgesellschaft dazu führt, dass die Gewinnberechtigung auf ihn persönlich übergeht, kann daher das in der mitgliedschaftlichen Treuepflicht wurzelnde Wettbewerbsverbot des § 112 HGB auf den Vorstand persönlich erstreckt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn es sich – wie hier – um eine Kommanditgesellschaft mit kleinem Gesellschafterkreis handelt und nicht um eine der Aktiengesellschaft angenäherte Publikums-KG.

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Schlagworte: Feststellungsinteresse, Haftung nach § 43 GmbHG, Komplementät-AG, Treuepflicht, Vorstand, Während der Amtszeit, Wettbewerbsverbot