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OLG Stuttgart, Urteil vom 30. Januar 1998 – 2 U 151/97

§ 1 UWG, § 21 UWG      

1. Wenn der Herausgeber der örtlichen Telefonbücher der Telekom ein gesondertes „Kreis-Telefonbuch“ herausgibt, in das er ohne gesonderte Berechnung und ohne gesonderten Auftrag alle Anzeigen aus den örtlichen Telefonbüchern des Landkreises übernommen hat, er dieses Telefonbuch kostenlos an Gewerbetreibende versendet und er diese Praxis auch für künftige Ausgaben des „Kreis-Telefonbuchs“ fortsetzen will, handelt er mit dem Verschenken seiner Dienstleistungen wettbewerbsrechtlich unlauter im Sinne des UWG § 1. Aus Umfang und Intensität dieser Maßnahme folgt die Gefahr, daß der Wettbewerb auf dem Werbemarkt für Telefonbücher in dem betroffenen Kreis auf Dauer eingeschränkt bzw sogar ganz ausgeschaltet wird.

2. Insbesondere ist es zu beanstanden, wenn dieses Verhalten des Verlegers offensichtlich allein dem Zweck dient, einen anderen Verleger, der die Herausgabe eines Telefonbuchs mit kostenpflichtigen Anzeigen plant, vom Markt der regionalen Telefonbücher zu verdrängen.

3. Bei der Übernahme der Anzeigen des Kreistelefonbuchs handelt es sich um eine Dauerhandlung. Die sechsmonatige Verjährungsfrist für einen dagegen gerichteten Unterlassungsanspruch beginnt daher erst mit dem Ablauf der Gültigkeitsdauer des Telefonbuchs.

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Vorsitzenden der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart vom 20.05.1997 wird

zurückgewiesen.

2. Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 16.000,00 DM abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Streitwert des

Berufungsverfahrens: bis 340.000,00 DM

Tatbestand

Die Parteien sind Verlage. Randnummer2

Im Verlag der Beklagten erscheinen in Zusammenarbeit mit der D GmbH die Telefonbücher und die Örtlichen Telefonbücher („Das Örtliche“) der Deutschen Telekom AG für bestimmte Ortsbereiche, insbesondere für … und Umgebung, …, … und … sowie … mit bundesweit einheitlicher Aufmachung. Diese Telefonbücher werden unentgeltlich an alle Inhaber eines Fernsprechanschlusses in den jeweiligen Gebieten abgegeben. In den örtlichen Telefonbüchern der Beklagten sind Anzeigen enthalten, für die der Inserent eine Vergütung zu zahlen hat. Randnummer3

Die Klägerin beabsichtigte, erstmals im Jahre 1996 ein Telefonbuch für den Landkreis … herauszugeben, das durch Anzeigen finanziert und an alle erreichbaren Haushalte und Gewerbetreibenden im Verbreitungsgebiet kostenlos verteilt werden sollte. Etwa eine Woche vor der Verteilung dieses Telefonbuchs durch die Klägerin erschien im Verlag der Beklagten „Das Örtliche Kreis-Telefonbuch für … 1996/97“ (Kreis-Telefonbuch) in einer den „Örtlichen“ gleichartigen Gestaltung (mit allerdings größerem Format). In dieses Kreis-Telefonbuch hatte die Beklagte ohne gesonderte Berechnung und ohne gesonderten Auftrag alle Anzeigen aus den örtlichen Telefonbüchern übernommen. Nach seinem Impressum ist das Kreis-Telefonbuch … der Beklagten für eine Gebühr von 4,00 DM zu erhalten. Randnummer4

Die Beklagte versandte ihr Kreis-Telefonbuch an alle Gewerbetreibenden und Behörden im Kreis … verbunden mit dem Hinweis, daß sie das Dienstleistungsangebot für den Empfänger kostenlos erweitert habe und daß dieser unentgeltlich das neue Produkt „Das Örtliche Kreis-Telefonbuch für …“ erhalte. Inzwischen sind örtliche Kreis-Telefonbücher der Beklagten auch für den … kreis und für den Kreis … erschienen. Randnummer5

Die Klägerin gibt zudem regionale Telefonbücher auch für den Kreis … und über ihre Tochtergesellschaft, die Fa. Telefonbuch … GmbH & Co.KG, … ein solches regionales Telefonbuch für den … kreis heraus. Sie sieht in der kostenlosen Aufnahme der Anzeigen aus den örtlichen Telefonbüchern in das Kreis-Telefonbuch der Beklagten eine kartellrechtlich und wettbewerbsrechtlich unzulässige Behinderung (ruinöser Verdrängungswettbewerb) bzw. in der Aufnahme nicht bestellter Anzeigen in das Kreis-Telefonbuch eine irreführende Werbung. Randnummer6

Sie hatte gegen die Beklagte in zweiter Instanz zunächst eine einstweilige Verfügung erwirkt (Urteil des Senats vom 23.08.1996 — 2 U 155/96). Danach war es der Antragsgegnerin unter Androhung von Ordnungsmitteln untersagt worden, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in den Landkreisen …, … und … kostenlos und nicht zur Veröffentlichung in Auftrag gegebene Anzeigen in Kreis-Telefonbüchern zu veröffentlichen und zudem bei der Versendung von ihr mitverlegter Kreis-Telefonbücher diese dem Empfänger gegenüber im Anschreiben als kostenlos und/oder unentgeltlich zu bezeichnen, sofern diese Kreis-Telefonbücher privaten Telefonteilnehmern nur gegen Entgelt angeboten oder abgegeben werden. Randnummer7

Nachdem die Beklagte die von der Klägerin geforderte Abschlußerklärung verweigert hatte, hat die Klägerin im vorliegenden Hauptsacheverfahren beantragt, Randnummer8

(1) Die Beklagte wird verurteilt, es bei Vermeidung eines vom Gericht für jeden Fall der schuldhaften Zuwiderhandlung festzusetzenden Ordnungsgeldes bis zu DM 500.000,–, ersatzweise am persönlich haftenden Gesellschafter der Antragsgegnerin zu vollstreckender Ordnungshaft bis zu sechs Wochen, oder Ordnungshaft bis zu sechs Monaten zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbes in den Landkreisen …, …, … und … Randnummer9

(a) kostenlose und nicht zur Veröffentlichung in Auftrag gegebene Anzeigen in Kreis-Telefonbüchern zu veröffentlichen, Randnummer10

(b) bei der Versendung von von ihr mit verlegten Kreis-Telefonbüchern diese dem Empfänger gegenüber in Anschreiben als kostenlos und/oder unentgeltlich zu bezeichnen, sofern diese Kreis-Telefonbücher privaten Telefonteilnehmern nur gegen Entgelt angeboten oder abgegeben werden. Randnummer11

Die Beklagte hat beantragt, Randnummer12

die Klage abzuweisen. Randnummer13

Sie hat sich gegenüber den geltend gemachten Ansprüchen zunächst auf Verjährung berufen und im übrigen ausgeführt, es bestehe kein Wettbewerbsverhältnis zwischen den Parteien im Landkreis … und die Herausgabe eines Kreis-Telefonbuchs im Kreis … durch die Beklagte stehe nicht bevor. Schließlich wolle die Beklagte die Klägerin nicht behindern, sondern verfolge ein wirtschaftlich sinnvolles und bundesweites Konzept der Fa. De und ihrer Vertragsverlage aus dem Jahre 1993. Randnummer14

Mit Urteil vom 20.05.1997 hat der Vorsitzende der 11. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Stuttgart die Beklagte unter Androhung der gesetzlichen Ordnungsmittel verurteilt, es zu unterlassen, im geschäftlichen Verkehr zu Zwecken des Wettbewerbs in den Landkreisen …, … und … kostenlose und nicht zur Veröffentlichung in Auftrag gegebene Anzeigen in Kreis-Telefonbüchern zu veröffentlichen. In den genannten Kreisen führe die Beklagte einen Behinderungs-/Verdrängungswettbewerb gegen die Klägerin. Deshalb sei ihr Unterlassungsantrag Ziff. 1. a) insoweit nach § 1 UWG begründet. Der Unterlassungsanspruch sei auch nicht verjährt, da die Herausgabe der Kreis-Telefonbücher eine Dauerhandlung sei, die bis zur Klageerhebung im Dezember 1996 noch angedauert habe. Dagegen gebe es keine Anhaltspunkte dafür, daß die Beklagte auch im Kreis … die Herausgabe eines Regional-Telefonbuchs plane. Insoweit sei die Klage ebenso unbegründet wie mangels Begehungsgefahr im Klagantrag 1 Buchst. b. Randnummer15

Mit ihrer Berufung will die Beklagte die Abweisung der Klage insgesamt erreichen. Zur Begründung trägt sie im wesentlichen vor: Randnummer16

Bei der Herausgabe der Kreis-Telefonbücher gehe es ihr um die sukzessive Umsetzung eines Konzepts der Fa. De aus dem Jahre 1993. Diese Maßnahme diene der Erhöhung der Attraktivität des eigenen Angebots durch Zusammenfassung der örtlichen Telefonbücher auf Kreisebene und sei auch betriebswirtschaftlich vernünftig. Damit verfolge die Beklagte gerade nicht das Ziel, die Klägerin als Mitbewerberin vom Markt zu verdrängen oder zu behindern. Im übrigen sei die Klägerin nicht schutzbedürftig. Denn sie habe das seit 1992 erstmals verwirklichte und seit 1993 konsequent und sukzessiv über das ganze Bundesgebiet hinweg verwirklichte Konzept der De bestens gekannt und sich mit ihrem eigenen Projekt exakt in dieses Konzept „eingeschoben“. Hinzukomme, daß die Klägerin als Herausgeberin und Verlegerin der … Kreiszeitung dort der dominierende Faktor auf dem Anzeigenmarkt sei. Darüber hinaus sei sie „mit allen in Frage kommenden Zeitungsverlagen „eng verflochten“ und zudem über ihre Beteiligung an der S Zeitungsverlag GmbH mit Zeitungen und Anzeigenblättern in der Region … verbunden. Randnummer17

Die Beklagte beantragt, Randnummer18

das Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 20.05.1997 abzuändern und die Klage abzuweisen. Randnummer19

Die Klägerin beantragt demgegenüber, Randnummer20

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Randnummer21

Sie verteidigt das Urteil des Landgerichts als richtig. Randnummer22

Daß es sich bei den Kreis-Telefonbüchern der Beklagten um eine reine Abwehrmaßnahme gegen Konkurrenten handele, folge nicht nur aus den vom Landgericht angeführten Umständen, sondern zudem aus einem Sitzungsprotokoll des Fachbereichs Das Örtliche des Verbands Deutscher Adreßbuchverleger vom 15.05.1997. Dort heiße es unter Punkt 5: „… die Landkreis-ÖTB sollen allerdings kein eigenes Produkt darstellen, sondern lediglich als zusätzlicher Kundenservice verstanden werden. Zudem sollen sie nicht flächendeckend eingesetzt werden, sondern in den Gebieten, wo derartige Marketingmaßnahmen einen Sinn machen. Die Landkreis-ÖTBs sollen kostenlos an alle gewerblichen Teilnehmer ausgegeben werden, eine Abgabe an Private soll nur auf Anfrage möglich sein.“ Randnummer23

Dies bedeute im Klartext, daß die Kreis-Telefonbücher — auch der Berufungsklägerin — keine eigenen Produkte darstellten, sondern als Abwehrmaßnahme eingesetzt werden sollten, nämlich nur dort, wo Wettbewerber aufträten. Weiter ergebe sich aus dem Protokoll, daß es keineswegs einen alten Beschluß gebe, der umgesetzt werden solle. Vielmehr sei daraus zu entnehmen, daß diese Maßnahme (Einführung der Kreis-Telefonbücher) wegen ihrer Kosten und ihres Erfolges unter den Teilnehmern durchaus umstritten gewesen seien (Einzelheiten: Niederschrift über Sitzung des Fachbereichs Das Örtliche vom 15.05.1996 — BBK 1 — Bl. 246-248). Randnummer24

Als Maßnahme zur Erhöhung der eigenen Attraktivität ließen sich die Kreis-Telefonbücher schon deshalb nicht begreifen, weil nach dem zitierten Protokollauszug eine Abgabe an Privatkunden als der eigentlichen Zielgruppe grundsätzlich nicht beabsichtigt sei. Betriebswirtschaftlich vernünftig sei die Maßnahme entgegen der Auffassung der Beklagten ebensowenig. Denn sie verursache nur Kosten, jedoch keinerlei Einnahmen, nachdem die Beklagte selbst auf die ursprünglich beabsichtigte Erhebung eines Versandkostenbeitrags von 4,00 DM pro Kreis-Telefonbuch verzichte. Randnummer25

Schließlich sei die Klägerin sehr wohl schutzbedürftig. Gegen ein „Einschieben“ in das in Wahrheit gar nicht vorhandene Konzept der De spreche schon die zeitliche Abfolge: Die Klägerin habe nämlich schon im Oktober 1995 mit der Akquisition für eigenes „Regionales Telefonbuch …“ begonnen; das Konkurrenzprodukt der Beklagten sei aber erst im Juli 1996 erschienen. Ein untaugliches Argument sei auch der Hinweis auf die Verflechtung der Klägerin mit anderen württembergischen Zeitungsverlagen. Denn an der St Zeitung Verlag GmbH sei die Klägerin bzw. ihr persönlich haftender Gesellschafter Ulmer zu weniger als 1 % beteiligt. Demgegenüber verfüge die Beklagte über eine überlegene Marktmacht. Randnummer26

Wegen des weiteren Vorbringens der Parteien wird auf die gewechselten Schriftsätze sowie die vorgelegten Anlagen verwiesen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, aber nicht begründet.Randnummer28

Die Veröffentlichung kostenloser Anzeigen ohne Auftrag in den Kreis-Telefonbüchern … und … ist schon deshalb wettbewerbswidrig, weil damit eine Gefährdung des Wettbewerbs auf dem Markt der Werbung in Telefonbüchern verbunden ist. Darüber hinaus verfolgt die Beklagte offensichtlich das Ziel, die Klägerin wiederum von diesem Markt zu verdrängen. Das daran geknüpfte Unterlassungsbegehren der Klägerin ist unter beiden Aspekten begründet. Dies folgt schon aus § 1 UWG. Ob daneben die Voraussetzungen einer unbilligen Behinderung nach § 26 Abs. 2 GWB vorliegen, kann damit offenbleiben (zur Zulässigkeit der parallelen Anwendung von § 1 UWG und § 26 Abs. 2 GWB, vgl. Köhler/Piper, § 1 UWG Rz. 182 m.w.N.). Auf Verjährung kann sich die Beklagte gegenüber dem Unterlassungsanspruch der Klägerin nicht berufen.

1.

Bei dem unentgeltlichen Abdruck der Anzeigen handelt es sich um ein Verschenken von Dienstleistungen. Denn bei den bisher von der Beklagten herausgebrachten Örtlichen Telefonbüchern und den jetzt herausgebrachten Kreis-Telefonbüchern handelt es sich um zwei verschiedene Produkte. Die Unterschiede folgen sowohl aus dem Verbreitungsgebiet wie auch aus dem größeren Format der Kreis-Telefonbücher und sind als solche damit ohne weiteres erkennbar. Damit stellt der Abdruck von Anzeigen ohne gesonderte Berechnung in den Kreis-Telefonbüchern der Beklagten für sich genommen ein Verschenken einer Dienstleistung, nicht aber die Erweiterung einer im Grunde vorgegebenen Dienstleistung dar.

2.

a) Ein solches Verschenken von Dienstleistungen ist grundsätzlich zulässig, sofern nicht besondere Unlauterkeitsmerkmale vorliegen. Ein solcher zur Wettbewerbswidrigkeit führender Umstand liegt vor, wenn Art und Umfang der unentgeltlichen Leistung den Empfänger davon abhält, Leistungsangebote anderer Mitbewerber auf Güte und Wirtschaftlichkeit zu überprüfen (BGHZ 43, 278, 284 — Kleenex; BGH GRUR 1993, 774, 776 = WRP 1993, 758 — Hotelgutschein; BGH Urteil vom 18.09.1997 — I ZR 119/95 — S. 6 — Erstcoloration — auf diese Entscheidung sind die Parteien in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat hingewiesen worden).Randnummer31

Zur Beurteilung der Wettbewerbswidrigkeit kann dabei nicht allein auf den Wert des Geschenks abgestellt werden; maßgeblich sind vielmehr die Intensität und die Werbewirkung der Gratisvergabe (BGH GRUR 1986, 820, 821 — Probe-Jahrbuch; BGH Urteil vom 18.09.1997, a.a.O.). Die Grenze des Tragbaren überschreitet eine solche Werbemaßnahme dann, wenn es sich bei ihr nicht um eine nach Umfang und Dauer begrenzte Schenkungsaktion handelt, sondern eine Leistung zeitlich unbefristet an einen breiten Empfängerkreis verschenkt wird (BGHZ 51, 236, 244 — Stuttgarter Wochenblatt).Randnummer32

b) Die Grenze des Tragbaren hat die Beklagte hier überschritten. Denn sie hat nicht nur einzelne, sondern sämtliche Anzeigen aus den Örtlichen in die Kreis-Telefonbücher übernommen. Darüber hinaus handelt es sich offensichtlich um keine einmalige, auf die Ausgabe 1996/97 befristete Aktion, sondern eine auf Dauer angelegte Maßnahme. Dies folgt schon daraus, daß die Beklagte ihre Praxis als Verwirklichung eines schon seit 1993 entwickelten und sukzessiv auch umgesetzten Konzeptes der De GmbH und ihrer Partnerverlage verteidigt (Ziff. 2.1 ihrer Berufungsbegründung). Aus Umfang und Intensität dieser Maßnahme folgt aber die Gefahr, daß der Wettbewerb auf dem Werbemarkt für Telefonbücher in den betroffenen Kreisen auf Dauer eingeschränkt bzw. sogar ganz ausgeschaltet wird. Denn wer fortlaufend im „Örtlichen Kreis-Telefonbuch“ der als Telefonbuchverlag etablierten Beklagten kostenlos annoncieren kann, wird sich nur schwerlich dazu entschließen können, eine kostenpflichtige Anzeige im vergleichbaren Regionaltelefonbuch der neu in den Markt getretenen Klägerin zu schalten.

3.

a) Als weiteres Unlauterkeitsmerkmal im Falle des Verschenkens von Dienstleistungen kommt die gezielte individuelle Konkurrentenbehinderung in Betracht. Das hat der BGH für den Verkauf unter Einstandspreisen ausgesprochen, sofern dadurch Mitbewerber vom Markt verdrängt und deshalb der Wettbewerb auf dem Markt (nahezu) völlig ausgeschlossen würde (BGH GRUR 1979, 321, 323 — Verkauf unter Einstandspreis I). Dieselben Grundsätze gelten für das Verschenken von Dienstleistungen oder deren Erbringung zu einem nicht kostendeckenden Preis. Ein solches Verhalten ist dann unlauter, wenn es geeignet ist und in gezielter Weise dazu eingesetzt wird, den Mitbewerber vom Markt zu drängen und den Wettbewerb auf dem betroffenen Markt konkret zu gefährden (BGH GRUR 1990, 685, 686; 687, 688 f. — Anzeigenpreis I und II).Randnummer34

b) Daß das Verhalten der Beklagten offensichtlich allein dem Zweck dient, die Klägerin als Wettbewerberin vom Markt der regionalen Telefonbücher zu verdrängen, hat der Senat schon im vorangegangenen Verfügungsverfahren festgestellt (Urteil vom 30.08.1996 — 2 U 155/96 — veröffentlicht in NJWE-Wettb.R 1997, 103). Daran ist auch im vorliegenden Hauptsacheverfahren festzuhalten. Überzeugende Argumente für eine davon abweichende Beurteilung hat die Beklagte nicht vorgetragen; vielmehr hat sich der Eindruck einer gezielten Konkurrentenbehinderung zu Lasten der Beklagten im vorliegenden Verfahren sogar noch verdichtet.Randnummer35

aa) Die Absicht eines marktstarken Unternehmens, über die Preisgestaltung Mitbewerber vom Markt zu drängen, zeigt sich objektiv regelmäßig in mehreren, gleichartig vorgenommenen Unterbietungsakten, die sich gegen einen oder mehrere Mitbewerber richten. Geht ein solches Unternehmen in dieser zielgerichteten Weise vor, läßt dies den Schluß zu, daß es absichtlich die Verdrängung oder gar Vernichtung des Mitbewerbers anstrebt (Baumbach-Hefermehl, 19. Aufl., § 1 UWG Rz. 259). Diese für den Fall des Preisunterbietens entwickelten Grundsätze sind ohne weiteres auf den hier vorliegenden Fall eines Verschenkens von Dienstleistungen anwendbar.Randnummer36

bb) Die objektive Grundlage für die Verdrängungsabsicht der Beklagten liegt hier darin, daß sie vor dem Jahre 1996 kein Kreis-Telefonbuch herausgebracht, sondern dies nach den von der Berufung nicht angegriffenen Ausführungen in den Entscheidungsgründen des Landgerichts erst in engem zeitlichen Zusammenhang mit dem Erscheinen von Regional-Telefonbüchern für die Kreise …, …, … und … getan hat. Die Beklagte hat nämlich in den genannten vier Kreisen dem zumeist kurz vor dem Erscheinen stehenden Konkurrenzprodukt (Kreis …, …, …) mit seinen bestellten und bezahlten Anzeigen jeweils ein eigenes Kreis-Telefonbuch mit unbestellten, aus den örtlichen Telefonbüchern übernommenen Gratisanzeigen gegenübergestellt. Schon dieses innerhalb weniger Monate im Jahre 1996 erfolgte, jeweils gleichgelagerte und offensichtlich jeweils vom bevorstehenden Erscheinen des Konkurrenzprodukts ausgelöste Handeln zeigt die dahinterstehende Verdrängungsabsicht der Beklagten, die bis dahin unstreitig den Markt für Telefonbücher in ihrem Bereich allein beherrscht hatte.Randnummer37

cc) Darüber hinaus hat das Landgericht eine solche Behinderungs/Verdrängungsabsicht zutreffend einem Rundschreiben entnommen, das die Beklagte im Zusammenhang mit der Herausgabe des Kreis-Telefonbuchs … an ihre Kunden gerichtet hatte (vgl. Entscheidungsgründe S. 10 oben; auszugsweise zitiert ist das Rundschreiben im Klägerschriftsatz an das LG vom 24.01.1997 auf S. 38 — Bl. 92 d.A.). Die darin enthaltene Formulierung, die Beklagte wolle den Interessenten und Telefonbuchkunden mit ihrem Produkt (erg. Kreis-Telefonbuch) nicht notwendige Ausgaben für die weitere Werbung in zusätzlichen Regional-Telefonbüchern ersparen, bringt angesichts des unmittelbar bevorstehenden Erscheinens eines solchen Regional-Telefonbuchs eines anderen Anbieters für den Kreis … die Verdrängungsabsicht der Beklagten klar und eindeutig zum Ausdruck (so auch die entsprechende Wertung im Senatsurteil vom 30.08.1996 — 2 U 140/96; desgleichen auch Urteil 2 U 155/96 auf S. 11 unter Ziff. 1. der Entscheidungsgründe).Randnummer38

dd) Der Vortrag der Beklagten, es handele sich nicht um eine gezielte Maßnahme gegen die Klägerin, sondern sie habe ein 1992/93 entworfenes Konzept der Fa. De GmbH und ihrer privaten Partnerverlage verwirklicht, kann vor dem aufgezeigten objektiven Hintergrund und der eigenen Äußerung der Beklagten im erwähnten Rundschreiben nicht nachvollzogen werden.Randnummer39

ee) Daß die Ausgabe der Kreis-Telefonbücher der Beklagten gerade nicht in Verfolgung eines solchen „Konzepts“, sondern vielmehr der Abwehr von Wettbewerbern dienen soll, zeigen zudem die der Berufungserwiderung der Klägerin entnommenen und im Tatbestand wiedergegebenen Zitate aus dem Sitzungsprotokoll des Fachbereichs Das Örtliche des VDRV vom 15.05.1997 (dazu Berufungserwiderung S. 6 f. = Bl. 235 f. d.A. sowie Bl. 246-248 d.A.). Die Authentizität dieser Auszüge aus dem Sitzungsprotokoll hat die Beklagte nicht bestritten. Danach gibt es aber offensichtlich kein „Konzept“; vielmehr „wurde das Instrument der Landkreis-ÖTB … kontrovers diskutiert“ und soll „über die Herausgabe von Landkreis-ÖTBs … aufgrund aktuellen und regionalen Bedarfs gemeinsam von De und den betroffenen Verlagen entschieden“ werden.Randnummer40

ff) Selbst wenn es aber ein solches Konzept gäbe, bestünde dessen Zweck offensichtlich lediglich darin, Mitbewerber außerhalb der De GmbH und der ihr angeschlossenen Verlage an der Herausgabe von eigenen Telefonbüchern zu hindern. Dieser Zweck läßt sich, wenn auch sprachlich verbrämt, der Formulierung entnehmen, die Landkreis-ÖTBs sollten „nicht flächendeckend eingesetzt werden, sondern in den Gebieten, wo derartige Marketingmaßnahmen einen Sinn“ machten und zudem zwar kostenlos „an alle gewerblichen Teilnehmer“ … „an Private“ aber „nur auf Anfrage“ ausgegeben werden. Wenn aber nur die gewerblichen Teilnehmer, also aktuelle oder potentielle Inserenten, nicht aber die „Privaten“ als Leser dieser Anzeigen ein solches „Landkreis-ÖTB“ ohne weiteres erhalten, so geht es den angesprochenen Telefonbuchverlagen und damit auch der Klägerin offensichtlich gerade nicht um einen „zusätzlichen Kundenservice“ und ebensowenig um die von der Beklagten ins Feld geführte „Erhöhung der Attraktivität des eigenen Angebots“ für ihre Inserenten.Randnummer41

gg) Die Beklagte kann sich ebensowenig mit Erfolg darauf berufen, die Herausgabe der Kreis-Telefonbücher sei „betriebswirtschaftlich vernünftig“. Denn Erstellung, Druck und Verbreitung dieser Telefonbücher verursachen offenkundig zusätzliche Kosten, die über die Kosten für die bisher von der Beklagten herausgegebenen örtlichen Telefonbücher hinausgehen. Ebenso offenkundig ist nach dem unstreitigen Vortrag beider Parteien, daß diesem zusätzlichen Aufwand keinerlei Ertrag gegenübersteht. Denn die Landkreis-Telefonbücher werden — entgegen dem Aufdruck im Impressum — nicht verkauft, sondern kostenlos „abgegeben“; die darin abgedruckten Anzeigen werden unentgeltlich veröffentlicht. Deshalb kann die Beklagte die Kosten für die Landkreis-Telefonbücher nur aus den Erträgen aus der Veröffentlichung von Annoncen in den örtlichen Telefonbüchern also eines ganz anderen Produkts decken. Dies belegt der eigene Vortrag der Beklagten in ihrer Berufungserwiderung (S. 5 unten — Bl. 207 d.A.). Danach kann die Praxis der Beklagten „keineswegs“ dazu führen, „daß die Herausgabe der ortsbezogenen Örtlichen Telefonbücher und des Örtlichen Kreis-Telefonbuchs auch nur eines der angesprochenen Landkreise mit Verlust endet“.Randnummer42

c) Das Vorgehen der Beklagten ist offensichtlich auch geeignet, die Klägerin vom Markt der Anbieter von Telefonbuch-Werbung in solchen Landkreisen zu verdrängen, in denen sie mit regionalen Telefonbüchern auf dem Markt ist. Insoweit wird auf die Ausführungen des Senats im Urteil 2 U 155/96 — S. 13-15 sowie oben unter 2 b verwiesen.Randnummer43

d) Der Vortrag der Beklagten/Berufungsklägerin im vorliegenden Hauptsacheverfahren vermag zu keiner dazu abweichenden Beurteilung zu führen:Randnummer44

aa) Unbeachtlich ist ihr Einwand, die Klägerin habe als Herausgeberin und Verlegerin der … Kreiszeitung auf dem Anzeigenmarkt im Kreis … und darüber hinaus eine marktstarke Stellung und sei deshalb nicht schutzwürdig. Denn der relevante Markt läßt sich nicht nach diesem weiten Verständnis der Beklagten definieren. Entscheidend sind vielmehr die im Kartellrecht entwickelten Maßstäbe zur sachlichen, räumlichen und zeitlichen Abgrenzung des relevanten Marktes (Köhler-Piper, § 1 UWG Rz. 184). Diesem Markt sind (sachlich) nur diejenigen Produkte zuzurechnen, die der Verbraucher nach Eigenschaft, Verwendungszweck und Preislage zur Deckung eines bestimmten Bedarfs als austauschbar ansieht (BGHZ 67, 104, 113 f. — Vitamin B-12; GRUR 1988, 323, 324 f. — Gruner + Jahr/Zeit II — danach sind überregionale Tageszeitungen nicht dem Markt der Wochenzeitungen zuzurechnen).Randnummer45

Telefonbücher auf der einen Seite, Tageszeitungen/Wochenblätter auf der anderen Seite sind aber Produkte, die völlig verschiedene Verbraucherinteressen Rechnung tragen. Es fehlt deshalb an der Austauschbarkeit aus Sicht des Verbrauchers. Deshalb bleibt es bei der oben wiedergegebenen Definition des für die Parteien relevanten Marktes.Randnummer46

bb) Unbeachtlich ist ferner die Behauptung der Beklagten, die Klägerin habe sich mit ihrem Projekt „Ihr Regionales“ exakt in das Konzept der Klägerin und der Fa. De eingeschoben. Schon das eigene Vorbringen der Beklagten läßt offen, welche Konsequenzen dieses Einschieben für die Beurteilung des eigenen Verhaltens der Beklagten haben soll. Daß ihr eigenes Verhalten der Abwehr des (behaupteten) Wettbewerbsverstoßes der Klägerin hätte dienen sollen, trägt die Beklagte nämlich nicht vor. Unabhängig davon hat die Beklagte die Voraussetzungen eines wettbewerbsrechtlich zulässigen Abwehrverhaltens nicht dargetan bzw. nicht unter Beweis gestellt. Ein solches Abwehrverhalten verlangt nämlich, um zulässig zu sein, zunächst einen rechtswidrigen Angriff eines Wettbewerbsteilnehmers, dem zudem durch Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe nicht ausreichend gewehrt werden kann (BGH GRUR 1990, 685, 686 — Anzeigenpreis I m.w.N.). Einen Angriff der Klägerin hat die Beklagte lediglich pauschal behauptet und — obwohl von der Klägerin bestritten — nicht unter Beweis gestellt. Daß sie einem solchen Angriff durch Inanspruchnahme gerichtlicher Hilfe nicht ausreichend hätte wehren können, trägt die Beklagte nicht einmal vor.Randnummer47

Nach alledem erweist sich der Unterlassungsanspruch der Klägerin in dem vom Berufungsgericht zu prüfenden Umfang als begründet. Wiederholungsgefahr ist schon deshalb gegeben, weil die Beklagte die von der Klägerin geforderte Abschlußerklärung verweigert hat und zudem ihr Verhalten im vorliegenden Rechtsstreit als rechtmäßig verteidigt.

4.

Auf Verjährung gegenüber dem Unterlassungsanspruch der Klägerin kann sich die Beklagte nicht berufen. Zu Recht hat das Landgericht im beanstandeten Verhalten der Beklagten eine Dauerhandlung gesehen. Eine solche Dauerhandlung ist dadurch gekennzeichnet, daß die einmalige Verletzung einen Zustand herbeiführt, der verletzt, solange er andauert (Baumbach-Hefermehl, Einl. UWG Rz. 376). Die Dauer dieses Zustands richtet sich bei Werbeträgern wie Katalogen, Adreßbüchern u.ä. nach deren vorgesehener Gültigkeitsdauer; erst mit deren Ende beginnt die Verjährungsfrist zu laufen (Baumbach-Hefermehl, § 21 UWG Rz. 12). Die Gültigkeitsdauer ihrer den vorliegenden Rechtsstreit auslösenden Kreis-Telefonbücher hat die Beklagte selbst mit den Jahreszahlen 1996/1997 vorgegeben. Während dieser Zeit und bis zum Erscheinen einer Folgeausgabe dauerte somit der von der Beklagten begangene Wettbewerbsverstoß fort. Die am 26.11.1996 der Beklagten zugestellte Klage ist damit schon vor Beginn des Laufs der halbjährigen Verjährungsfrist des § 21 Abs. 1 UWG erhoben worden.

5.

Die Berufung der Beklagten war deshalb mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.Randnummer50

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus den §§ 708 Nr. 10 und 711 S. 1 ZPO.

Schlagworte: Gezielte Behinderung, Mitbewerber gezielt behindert, UWG § 4 Nr. 4