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OLG Brandenburg, Urteil vom 30.11.2022 – 7 U 193/21

Zeichnung Geschäftsanteile durch ein Mitglied ist mit dem Wesen der Liquidation nicht zu vereinbaren

§ 15b GenG, § 51 Abs 1 GenG, § 51 Abs 3 S 1 GenG, § 76 Abs 1 GenG, § 100 Abs 2 Nr 3 AktG, § 241 Nr 1 AktG, § 241 Nr 2 AktG, § 241 Nr 3 AktG, § 241 Nr 4 AktG

1. Die rechtzeitige Erhebung der Anfechtungsklage gemäß § 51 Abs. 1 GenG setzt nicht nur voraus, dass überhaupt eine Klage eingereicht worden ist, es müssen zudem innerhalb der Monatsfrist im wesentlichen Kern die klagebegründenden Tatsachen mitgeteilt werden (Anschluss BGH, Urteil vom 23. Mai 1960 – II ZR 89/58). Diesen Anforderungen genügt eine Klageschrift nicht, die nur stichwortartige Angaben enthält und der Kern der klagebegründenden Tatsachen, d.h. welche tatsächlichen Umstände die Anfechtbarkeit der Einladung und der Beschlussfassung begründen sollen, nicht angegeben wird.

2. Die Zeichnung weiterer Geschäftsanteile durch ein Mitglied ist mit dem Wesen der Liquidation nicht zu vereinbaren. Mit der Auflösung der Genossenschaft ändert sich deren Zweck dahin, dass nunmehr die Geschäfte abzuwickeln sind und das Vermögen aufzuteilen ist. Der Erwerb ist rechtlich nicht mehr möglich, wenn die Auflösung beschlossen oder kraft Gesetzes eingetreten ist.

3. Nur bei einer Übertragung von Geschäftsguthaben ohne Übernahme weiterer Geschäftsanteile ist die Übernahme des Geschäftsguthabens in der Liquidation möglich.

4. Ein Beschluss ist nichtig, wenn in entsprechender Anwendung von § 241 Nr. 1 AktG Mängel der Einberufung vorliegen oder eine Feststellung des Beschlusses analog § 241 Nr. 2 AktG nicht vorliegt. Zudem sind Beschlüsse analog § 241 Nr. 3, 4 AktG nichtig, wenn sie gegen zwingende gesetzliche oder satzungsrechtliche Vorgaben verstoßen, die im öffentlichen Interesse ergangen sind oder auf die die Mitglieder nicht wirksam verzichten können oder wenn sie mit dem Wesen der Genossenschaft nicht vereinbar sind (Anschluss BGH, Urteil vom 22. März 1982 – II ZR 219/81).

5. Eine Frist zur Vorlage der Vollmachten begründet keine rechtswidrige Beschränkung der Teilnahme und des Stimmrechts der Mitglieder. Eine Übersendung der Vollmachten vor Beginn der Versammlung ist wegen der persönlichen Voraussetzungen, die bei dem Bevollmächtigten vorliegen mussten, sachlich gerechtfertigt. Dabei ist unerheblich, ob grundsätzlich der Nachweis einer Bevollmächtigung auch noch im Anschluss an eine Versammlung zulässig geführt werden darf. Maßgeblich ist, dass die in der Versammlung gefassten Beschlüsse erst nach abschließender Beurteilung aller erteilten Vollmachten zuverlässig festgestellt werden können. Damit liegt ein berechtigtes Interesse an einer Prüfung der Vollmachtserteilung vor Beginn der Versammlung vor.

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 24.09.2021, Az. 6 O 284/20, wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des aus dem Urteil jeweils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagten vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leisten.

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich mit seiner am 09.11.2020 eingereichten Anfechtungsklage gegen die Beschlussfassungen der Beklagten zu 1. in einer Generalversammlung am 09.10.2020. Zur Versammlung ist mit Einladung vom 18.09.2020 (Anl K4, Bl. 57) geladen worden. Mit einem im Postversand übermittelten Schreiben vom 29.09.2020 (Bl. 66) teilte die Beklagte zu 1. mit, dass Vollmachten bei der Generalversammlung nur entsprechend den Vorgaben der Satzung (§ 23 Abs. 3) ausgeübt werden könnten. Die Mitglieder wurden zugleich aufgefordert, die Bevollmächtigung in geeigneter Form nachzuweisen, damit die Voraussetzungen für die Vollmachterteilung überprüft werden könnten. Vollmachten sollten bis spätestens 06.10.2020, 17.00 Uhr vorliegen. Es wurde weiter ausgeführt, dass verspätet eingereichte oder bei der Versammlung vorgelegte Vollmachten nicht berücksichtigt werden könnten.Randnummer2

Der Kläger unterzeichnete am 27.10.2020 eine Erklärung, mit der er sein Geschäftsguthaben zu übertragen anbot (Anl B1, Bl. 106). Am selben Tag unterzeichnete er einen Treuhandauftrag, der die Beklagte beauftragte, sein Geschäftsguthaben auf ein noch zu bezeichnendes Mitglied zu übertragen. Das Angebot vom 27.10.2010 und der Treuhandauftrag wurden an die Beklagte zu 1. übersandt und gingen dort am 29.10.2010 ein. Mit Schreiben vom 30.10.2020 (Anl K8, Bl. 151) erklärte der Kläger, unter welchen Bedingungen sein Treuhandauftrag erteilt werden sollte und erklärte für den Fall der Nichteinhaltung seiner Bedingungen den Widerruf des Auftrages. Die Beklagte zu 1. erwiderte mit Schreiben vom 03.11.2020 (Anl K9, Bl. 154), dass der Treuhandauftrag unbedingt erteilt sei und bot an, ihn „zurückzuschicken“, falls die Unwirksamkeit der von ihm gestellten Bedingungen für den Kläger nicht akzeptabel sei.Randnummer3

Das Angebot, das Geschäftsguthaben des Klägers zu übertragen, wurde am 09.08.2021 von dem Mitglied der Beklagten zu 1. S… T… angenommen. Dem Kläger war dies mit Schreiben vom 05.08.2021 angekündigt worden. Die Annahme des Übertragungsangebotes und die Austragung aus der Mitgliederliste durch den Vorstand am 12.08.2021 wurden dem Kläger mit Schreiben vom 12.08.2021 schriftlich mitgeteilt (Anl B1, Bl. 123).Randnummer4

Unter dem 11.08.2021 unterzeichnete der Kläger eine Erklärung über die Übernahme von Geschäftsguthaben bei der Beklagten zu 1. zum Nominalwert von 1.000 € vom Mitglied Dr. H… H….Randnummer5

Der Kläger hat die Ansicht vertreten, die Einberufung zur Versammlung am 09.10.2020 sei rechtswidrig gewesen, weil der Versammlungsort W… 550 km von dem Sitz der Beklagten zu 1. in P… entfernt sei. Der Kläger hat behauptet, dass Mitglieder der Beklagten zu 1. aus H… aufgrund der wahl des Versammlungsortes nicht an der Versammlung hätten teilnehmen können.Randnummer6

Ferner ist er der Auffassung gewesen, die Einschränkung der Zulassung von Stimmrechtsvollmachten sei unzulässig gewesen und zu kurzfristig vor der Versammlung angekündigt worden. Die Vollmachten zahlreicher Mitglieder seien unmittelbar vor der Versammlung zurückgewiesen worden.Randnummer7

Weiter hat er vorgetragen: Sämtliche Beschlüsse litten an Abstimmungsmängeln. Die zustimmenden Stimmen seien nicht ausgezählt, sondern im Subtraktionsverfahren ermittelt worden. Zu Beginn der Veranstaltung seien die anwesenden Personen und die als gültig angesehenen Stimmrechtsvollmachten gezählt worden. Es hätten sich 122 Stimmen ergeben. Bei den Abstimmungen am späten Nachmittag hätten bereits mehrere Mitglieder die Versammlung verlassen und seien abgereist. Dennoch sei die Zahl der Zustimmungen weiterhin so ermittelt worden, dass zunächst die ablehnenden Stimmen gezählt und deren Zahl dann von der Gesamtstimmenzahl in Abzug gebracht worden sei, die ungeachtet der reduzierten Zahl anwesender Mitglieder unverändert mit 122 angenommen worden sei.Randnummer8

An den Abstimmungen zur Entlastung des Vorstandes und der Liquidatoren sowie an der wahl der Aufsichtsratsmitglieder hätten jeweils Mitglieder der zu entlastenden Organe mitgestimmt. Die Abstimmungsergebnisse seien insoweit fehlerhaft.Randnummer9

Die Wahlen zum Aufsichtsrat seien nicht geheim durchgeführt worden. Das gewählte Aufsichtsratsmitglied K… sei gleichzeitig als Vorstand für die … AG tätig und unterliege einem Interessenkonflikt.Randnummer10

Er habe sämtlichen Beschlüssen jeweils in der Versammlung widersprochen, seine Widersprüche seien lediglich nicht protokolliert worden.Randnummer11

Der Kläger hat beantragt, festzustellen, dass die Einberufung und Durchführung der ordentlichen Generalversammlung vom 09.10.2020 nicht ordnungsgemäß erfolgt und die Generalversammlung daher zu wiederholen ist. Er hat dazu erklärt, dass diese Formulierung die Anfechtung der gefassten Beschlüsse zum Ausdruck bringen solle. Er hat ferner beantragt, die in der ordentlichen Versammlung vom 09.10.2020 gefassten Beschlüsse in ihrer Gesamtheit für nichtig zu erklären. Die Beklagten haben Klageabweisung beantragt.Randnummer12

Die Beklagten haben die Klage für unzulässig gehalten, da sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist erhoben worden sei und der Kläger aus der Beklagten zu 1. ausgeschieden sei.Randnummer13

Sie haben behauptet, der Beklagten zu 1. gehörten rund 800 Mitglieder an, die überwiegend in H… und R…-… wohnten. In der Satzung sei ein bestimmter Versammlungsort nicht vorgeschrieben. Es habe den Wünschen einer großen Zahl der entsprochen, die Versammlung nicht in P… abzuhalten, um die Anreise zu erleichtern.Randnummer14

Die Zurückweisung nicht fristgerecht vorgelegter Vollmachten habe nicht zu abweichenden Abstimmungsergebnissen geführt. Es seien auch keine ordentlich vorgelegten Stimmrechtsvollmachten zurückgewiesen worden.Randnummer15

Ein geheimes Abstimmungsverfahren sei nicht, wie es § 25 Abs. 2 der Satzung vorsehe, von einem Viertel der Mitglieder gefordert worden. Die Abstimmungsergebnisse seien eindeutig gewesen. Sie seien zutreffend ermittelt worden.Randnummer16

Die Abstimmungsergebnisse für die Entlastung von Vorstand und Aufsichtsrat belegten, dass etwaige unzulässige Beteiligungen der Organmitglieder bei der Abstimmung auf das Abstimmungsergebnis keinen Einfluss hätten haben können. Gleiches gelte für die wahl der Vorstandsmitglieder. Andere Kandidaten hätten sich nicht zur wahl gestellt.Randnummer17

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage als Anfechtungsklage unzulässig sei, weil sie nicht innerhalb der gesetzlichen Frist von einem Monat rechtshängig geworden sei. Die Zustellung sei nicht „demnächst“ im Sinn des § 167 ZPO vollzogen worden. Gründe, die in der Versammlung vom 09.10.2020 gefassten Beschlüsse für nichtig zu erklären, lägen nicht vor. Zum Abstimmungsverfahren seien in der Satzung keine verbindlichen Vorgaben geregelt, so dass die Nichtigkeit des Beschlusses nicht aus Verfahrensfehlern resultiere. Dass das Stimmverhalten der Organmitglieder sich auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt habe, sei nicht dargelegt.Randnummer18

Mit der dagegen gerichteten Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend:Randnummer19

Seiner Auffassung nach sei die Klage nur gegen die Beklagte zu 1. gerichtet worden. Er sei nicht aus der Beklagten zu 1.ausgeschieden, da sein Geschäftsguthaben nicht ohne Übernahme seiner Geschäftsanteile durch die Erwerberin habe erfolgen können und mithin während der Liquidation erfolgt wäre. Die Übertragung von Anteilen während der Liquidation sei nicht möglich. Zudem habe er den Treuhandauftrag zur Übertragung auch widerrufen. Schließlich bestehe seine Mitgliedschaft jedenfalls infolge einer Teilübertragung von Seiten des Mitglieds H…. Das Landgericht habe verkannt, dass mit der Klage Verfahrensfehler gerügt worden seien, die seiner Auffassung nach grundlegende Rechte der Mitglieder sicherten. Die aufgezeigten Fehler müssten daher die Folge der Nichtigkeit der Beschlüsse nach sich ziehen. Dies gelte für den gewählten Versammlungsort ebenso wie für eine Regelung, die den Ausschluss wirksam erteilter Stimmrechtsvollmachten ermögliche und die infolge des Substraktionsverfahrens fehlerhaft ermittelten Abstimmungsergebnisse. Das Substraktionsverfahren sei zwar ein zulässiges Verfahren, es sei aber versäumt worden, jeweils die Zahl der anwesenden und vertretenen Stimmen zu ermitteln. Ihm seien sechzehn Vollmachten zugänglich (Anl K12, Bl. 263 bis 275), die Weisungen für „Nein“-Stimmen enthalten hätten und nicht berücksichtigt worden seien. Es genüge, dass die Verletzung der genannten Vorschriften für das Beschlussergebnis relevant sein könnte, die Beschussfassung müsse nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht auf den Fehlern beruhen.Randnummer20

Die Wahlen von jeweils einem Mitglied des Vorstandes und des Aufsichtsrates seien fehlerhaft gewesen, weil die Mitglieder der jeweiligen Gremien mit abgestimmt hätten. Außerdem seien die Wahlen nicht geheim abgehalten worden, was er auch in der Sitzung beanstandet habe. Schließlich bestünden Interessenkonflikte, weil J… H… K…, der zum Aufsichtsrat gewählt worden sei, mit dem Vorstandsmitglied/der Liquidatorin I… K… verheiratet sei und er selbst Vorstand der … AG sei, die geschäftliche Transaktionen mit den Einlagen der Genossen ausführe. Die Verknüpfung von Vorstands- und Aufsichtsratsämtern in beiden Gesellschaften verstoße gegen das Verbot der Überkreuzverflechtung aus § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG, das hier entsprechend Anwendung finden müsse. Der Verstoß habe die Nichtigkeit der wahl zur Folge.Randnummer21

Die Prüfung des Jahresabschlusses durch den Wirtschaftsprüfer Dr. K… sei interessenwidrig gewesen. Die Ehefrau von Dr. K… habe den Jahresabschluss in dem von ihm mit geführten Büro erstellt. Herr Dr. K… könne daher nicht Prüfer gemäß § 55 GenG sein.Randnummer22

Der Kläger beantragt, das Urteil des Landgerichts Potsdam vom 24.09.2021 abzuändern undRandnummer23

1. festzustellen, dass die Einberufung und Durchführung der ordentlichen Generalversammlung vom 09.10.2020 nicht ordnungsgemäß erfolgt ist und die Generalversammlung daher zu wiederholen ist.Randnummer24

2. Die in der ordentlichen Generalsversammlung der Beklagten vom 09.10.2020 gefassten Beschlüsse in ihrer Gesamtheit für nichtig zu erklären.Randnummer25

Die Beklagten beantragen,Randnummer26

die Berufung zurückzuweisen.Randnummer27

Die Beklagten halten die Klage für unzulässig, weil sei als Anfechtungsklage nicht rechtzeitig erhoben worden sei. Zudem seien die Anträge fehlerhaft gestellt. Die Anfechtungsklage könne nicht in eine Nichtigkeitsklage umgedeutet werden. Auch der Klageantrag zu 2. bringe nicht zum Ausdruck, dass Nichtigkeitsklage erhoben werden solle. Als Nichtigkeitsklage sei die Klage auch unzulässig, weil der Kläger nicht mehr Mitglied der Beklagten zu 1. sei. Zu den Anfechtungsgründen erwidern sie: Von den im Zeitpunkt der Generalversammlung vorhandenen 785 Mitgliedern seien 673 nicht im Postleitzahlenbereich 0, 1 oder 2 ansässig. Dies habe die wahl des Versammlungsortes in W… sinnvoll gemacht.Randnummer28

Die Vorgabe, dass Vollmachten vorab vorgelegt werden mussten, sei wegen der erforderlichen Prüfung der Einhaltung der Voraussetzungen für die Vollmachterteilung angeordnet worden. Die Wirkung dieser Vorgabe sei mit der Wirkung einer unterbliebenen Einladung, wie der Kläger mit der von ihm zitierten Rechtsprechung begründen wolle, nicht vergleichbar. Die Abstimmungsergebnisse seien zutreffend ermittelt. Sie stellen in Abrede, dass zehn Mitglieder abgereist und dass diesen Mitgliedern jeweils zwei Stimmrechtsvollmachten erteilt worden seien.Randnummer29

Die wahl zum Aufsichtsrat und zum Vorstand habe nicht geheim durchgeführt werden müssen. Der offenen Abstimmung habe kein Mitglied widersprochen. Die Regelung des § 100 AktG finde keine Anwendung auf die Genossenschaft. Interessenkonflikte bestünden nicht. Auch soweit der Kläger die Feststellung des JahresabschlussesBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Feststellung
Feststellung des Jahresabschlusses
unter Hinweis auf § 256 AktG in Frage stelle, gehe dies mangels Anwendbarkeit der Vorschrift fehl.Randnummer30

Nichtigkeitsbegründende Mängel seien schließlich nicht gegeben. Sämtliche von ihm gerügten vermeintlichen Fehler könnten nur die Anfechtbarkeit begründen; die Anfechtung sei hier aber wegen der Versäumung der Klagefrist ausgeschlossen.Randnummer31

Ergänzend wird wegen des Sach- und Streitstandes auf die tatsächlichen Feststellungen der erstinstanzlichen Entscheidungen sowie die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen verwiesen.

II.

Die zulässige Berufung ist unbegründet.Randnummer33

Die Klage gegen die Beklagte zu 1. ist als Feststellungsklage, gerichtet auf Feststellung der Nichtigkeit der in der Generalversammlung vom 09.10.2020 gefassten Beschlüsse zulässig, aber nicht begründet. Die gegen den Beklagten zu 2. gerichtete Klage ist unzulässig.

1.

Die Auslegung der Klage- und der Berufungsschrift ergibt, dass die Klage sowohl gegen die Genossenschaft als auch gegen den Aufsichtsrat gerichtet werden sollte. In der Klageschrift vom 09.11.2020 ist der Aufsichtsrat als Beklagter zu 2. aufgeführt und die Klagebegründung vom 14.05.2021 richtet sich gegen die … … eG in Liquidation „u.a.“. Auch der Berichtigungsantrag vom 25.10.2021, der sich auf das Urteil des Landgerichts bezog, enthält keine Ausführungen dazu, dass die Klage nicht gegen den Aufsichtsrat hätte gerichtet und der Aufsichtsrat daher nicht in das Rubrum hätte aufgenommen werden sollen. Die Berufungsschrift führt wiederum den Aufsichtsrat als Beklagten zu 2. auf. In der Berufungsbegründung ist das Rubrum geändert, da nunmehr nicht mehr neben der Bezeichnung der Beklagten zu 1. Der Zusatz „u.a.“ aufgenommen ist. Eine klarstellende Einschränkung der zuvor verfassten Schriftsätze hinsichtlich des Umfangs der Berufung enthält die Berufungsbegründung indes nicht, vielmehr wird auf den gesamten Sachvortrag erster Instanz und auf die Klageschrift Bezug genommen. Auch wenn die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage zutreffend gegen die Genossenschaft gerichtet werden muss, ergibt sich daraus nicht, dass der Kläger rechtlich zutreffend die Klage erheben wollte, zumal er den Aufsichtsrat neben der richtigen Partei, der Beklagten zu 1. als Beklagten, nicht aber als Vertreter der eG im Sinn des § 51 Abs. 3 Satz 2, 1. Hs GenG aufführt. Die Begründetheit der Klage ist für die Auslegung der Parteibezeichnungen und des Klageantrages nicht maßgeblich, sondern die vom Kläger abgegebenen Erklärungen.Randnummer35

Die gegen den Aufsichtsrat geführte Klage ist unzulässig. Organe von juristischen Personen können in einem Organstreit Partei sein, wenn sie eigene Rechte aus der Organstellung gegenüber einem anderen Organ oder der juristischen Person geltend machen (BGH, Urteil vom 28.11.1988 – II ZR 57/88, BGHZ 106, 54) oder wenn ihnen im Gesetz die Parteistellung zugewiesen wird. Im Übrigen sind sie nicht selbst Partei, sondern können für eine juristische Person im Rechtsstreit handeln (Zöller/Althammer, ZPO, § 51 Rn. 14). Die Anfechtungsklage ist gegen die Genossenschaft zu richten, § 51 Abs. 3 Satz 1 GenG.

2.

Die Auslegung der Klageanträge ergibt unter Heranziehung der Begründung von Klage- und Berufungsschrift, dass der Kläger sich gegen alle in der Generalversammlung vom 09.10.2020 gefassten Beschlüsse wendet und diese für anfechtbar, hilfsweise für nichtig hält.

3.

Die Anfechtungsklage ist gemäß § 51 Abs. 1 GenG unzulässig, da der Kläger die Klagefrist versäumt hat. Die rechtzeitige Erhebung der Anfechtungsklage setzt nicht nur voraus, dass überhaupt eine Klage eingereicht worden ist, es müssen außerdem innerhalb der Monatsfrist im wesentlichen Kern die klagebegründenden Tatsachen mitgeteilt werden (BGH, Urteil vom 23.05.1960 – II ZR 89/58, BGHZ 32, 322). Diesen Anforderungen genügt die Klageschrift mit dem als Anlage genommenen Protokoll der Versammlung nicht. Sie führt stichwortartig auf, dass die Anfechtung sich gegen die „Einladung, Beschlussfähigkeit und die Beschlüsse der Generalversammlung der Beklagten“ richte. Der Kern der klagebegründenden Tatsachen, der hier in der erst mit Schriftsatz vom 14.05.2021 vorgetragenen Darstellung liegen würde, welche tatsächlichen Umstände die Anfechtbarkeit der Einladung und der Beschlussfassung begründen sollen, ist der Klageschrift nicht zu entnehmen. Die Bezugnahme auf das Protokoll bezieht sich auf die in der Versammlung gefassten Beschlüsse. Zweifel an deren Wirksamkeit ergeben sich daraus nicht.

4.

Die Klage ist nicht unzulässig, weil der Kläger aus der Beklagten zu 1. ausgeschieden ist. Der Austritt des Klägers konnte infolge des Umstandes, dass bereits vor dem 09.10.2020 die Liquidation der Beklagten zu 1. beschlossen worden war, nicht wirksam werden, da der Erwerb weiterer Geschäftsanteile durch die Vertragspartnerin T… bei Übertragung des Geschäftsguthabens erforderlich war. Der Erwerb weiterer Geschäftsanteile durch ein Mitglied der Genossenschaft ist mit der Rechtsnatur der Liquidation nicht zu vereinbaren.

Der Kläger unterzeichnete seine Erklärung zur Übertragung des Geschäftsguthabens in Höhe von 11.000 € am 27.10.2020, die Annahmeerklärung der Vertragspartnerin ist am 09.08.2021 unterzeichnet worden. Die Übertragung des Geschäftsguthabens hatte zur Folge, dass die Vertragspartnerin neue Geschäftsanteile zeichnen musste, da das Geschäftsguthaben vorhandene Anteile überstieg, § 76 Abs. 1 Satz 1, § 76 Abs. 5 Satz 1 GenG. Nach § 29 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten zu 1. ist die Beteiligung eines Mitglieds mit mehreren Geschäftsanteilen zulässig. Ein Geschäftsanteil ist mit 1.000 € bestimmt, § 29 Abs. 1 Satz 2 der Satzung. Die Übertragung des Geschäftsguthabens von 11.000 € entsprach mithin 11 Geschäftsanteilen, die die Erwerberin des Guthabens neu zeichnen musste, da dieser Betrag jedenfalls den Wert von einem Geschäftsanteil überschritt, § 7 Abs. 2 Satz 3 der Satzung. Dass von anderen Voraussetzungen auszugehen sei, weil die Erwerberin T… etwa bereits 11 Geschäftsanteile gehalten, das zu ihren Gunsten bestehende Geschäftsguthaben aber 0 Euro betragen hätte, ist nicht vorgetragen.

Die in der mündlichen Verhandlung erwogene Auffassung, dass der Kläger lediglich Geschäftsguthaben übertragen habe, ist durch den in der mündlichen Erörterung von Klägerseite erhobenen Einwand, dass die Formulierung in dem von der Beklagten zu 1. erstellten Vordruck auch die Übernahme der Anteile in einer „Beteiligungserklärung“ vorsehe (vgl. Bl. 106) entkräftet. Die Erörterung in der mündlichen Verhandlung und die Argumentation des Klägers in seinem Schriftsatz vom 08.11.2022 gebieten eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung auf den die klägerische Rechtsauffassung bekräftigenden Einwand im Schriftsatz vom 17.11.2022 nicht. Die Beklagte zu 1. ist durch die Abweisung der Klage als unbegründet und nicht, wie zunächst erwogen, als unzulässig, auch nicht beschwert.Randnummer41

Die Zeichnung weiterer Geschäftsanteile durch ein Mitglied ist mit dem Wesen der Liquidation nicht zu vereinbaren. Mit der Auflösung der Genossenschaft, ändert sich deren Zweck dahin, dass nunmehr die Geschäfte abzuwickeln sind und das Vermögen aufzuteilen ist. Der Erwerb ist rechtlich nicht mehr möglich, wenn die Auflösung beschlossen oder kraft Gesetzes eingetreten ist. § 87 Abs. 1 GenG bestimmt, dass die Vorschriften des zweiten und des dritten Abschnitts während der Liquidation entsprechend Anwendung finden, nicht aber auch die Vorschriften des ersten Abschnitts, die Regelungen über den Beitritt und den Erwerb von Geschäftsanteilen in den §§ 15, 15a und 15b GenG enthalten. Der Beitritt eines neuen Mitglieds ist mit dem Zweck der Abwicklung nicht zu vereinbaren (RGZ, 50, 127 (130). Gleiches gilt für die Erweiterung der Beteiligung durch Erwerb weiterer Geschäftsanteile (BGH, Urteil vom 15.06.1978 – II ZR 13/77, NJW 1978, 2595, juris Rn. 28 f.; RGZ 117, 116 (120)). Die Übernahme neuer Anteile begründet Bindungen für den Übernehmer, ohne dass die Gesellschaft in der Lage ist, dem Erwerber eine seiner Beteiligung entsprechende wirtschaftliche und rechtliche Stellung zu verschaffen (BGH, Urteil vom 01.12.2003 – II ZR 216/01, WM 2004, 488, juris Rn. 21; BGH, Urteil vom 15.06.1978, a.a.O., juris Rn. 29). Eine – hier nicht gegebene – vor Beginn der Liquidation begründete Pflicht zur Übernahme von Geschäftsanteilen besteht daher auch nicht fort. Die Vereinbarung über die Übernahme von Anteilen stellt einen auf eine rechtlich unmögliche Leistung gerichteten Vertrag dar, der nicht erfüllt werden kann, § 275 BGB. Das von der Beklagten in der mündlichen Verhandlung angeführte Argument, dass der Erwerber im Fall der Übernahme weiterer Anteile bereits Mitglied der Beklagten ist, steht dem Ausschluss der Übernahme als unvereinbar mit der Natur der Liquidation nicht entgegen. Auch für das Mitglied, das weitere Anteile übernimmt, würde die Übernahme ein rechtlich unausgewogenes Geschäft darstellen, da es den Wert für Anteile entrichtet, denen infolge des Liquidationszwecks ein durch das Stadium der Abwicklung und Auseinandersetzung begrenzter Gegenwert zukommt.Randnummer42

Etwas anderes folgt nicht daraus, dass ein Geschäftsguthaben nach der Satzung der Beklagten jederzeit übertragbar sein sollte, § 7 Abs. 1 der Satzung. Die Formulierung „jederzeit“ entspricht der gesetzlichen Formulierung in § 76 Abs. 1 GenG, wird aber in § 76 Abs. 1 Satz 1 GenG und insoweit auch hier anwendbar dadurch ergänzt, dass das Geschäftsguthaben im Fall einer Übernahme durch ein Mitglied den vorhandenen Anteil nicht übersteigen darf und es anderenfalls der Übernahme weiterer Geschäftsanteile bedarf, § 15b GenG. Nur bei einer Übertragung von Geschäftsguthaben ohne Übernahme weiterer Geschäftsanteile ist die Übernahme in der Liquidation möglich (Lang/Weidmüller-Holthaus/Lehnhoff, GenG § 87 Rn. 20a; Fandrich/Pohlmann/Bloehs, § 87 Rn. 6; Berliner Kommentar GenG/Kühnberger, § 87 Rn. 3, 5; OLG HamburgBitte wählen Sie ein Schlagwort:
OLG
OLG Hamburg
, NJW 1957, 225).

5.

Die zumindest hilfsweise auf Feststellung der Nichtigkeit der Beschlussfassungen gerichtete Klage ist entsprechend § 249 Abs. 1, § 246 AktG zulässig. Sie ist nicht begründet.Randnummer44

Die in der Sitzung vom 09.10.2020 gefassten Beschlüsse sind nicht nichtig. Die Nichtigkeit von Beschlüssen wird auch im Genossenschaftsrecht analog § 241 AktG bestimmt (BGH, Urteil vom 23.02.1978 – II ZR 37/77, BGHZ 70, 384, (387)). Das Gesetz geht in § 51 GenG grundsätzlich nur von der Anfechtbarkeit von Beschlüssen aus. Ein Beschluss ist dagegen nichtig, wenn in entsprechender Anwendung von § 241 Nr. 1 AktG Mängel der Einberufung vorliegen oder eine Feststellung des Beschlusses analog § 241 Nr. 2 AktG nicht vorliegt (Henssler/Strohn, Gesellschaftsrecht, § 51 Rn. 2). Zudem sind Beschlüsse analog § 241 Nr. 3, 4 AktG nichtig, wenn sie gegen zwingende gesetzliche oder satzungsrechtliche Vorgaben verstoßen die im öffentlichen Interesse ergangen sind oder auf die die Mitglieder nicht wirksam verzichten können (vgl. zum Vereinsrecht BGH, Urteil vom 09.11.1972, – II ZR 63/71, BGHZ 59, 369 (372)) oder wenn sie mit dem Wesen der Genossenschaft nicht vereinbar sind (BGH, Urteil vom 22.03.1982 – II ZR 219/81, NJW 1982, 2558 (2559)).

6.

Die wahl des Versammlungsortes begründet keine die Nichtigkeit begründenden Mängel der Beschlussfassung. Die Satzung der Beklagten zu 1. enthält keine Regelungen zum Versammlungsort. Damit wäre analog § 121 Abs. 5 AktG zwar grundsätzlich der Sitz der Genossenschaft für die Durchführung der Versammlung zu wählen (RGZ 44, 9). Ausgehend von dem Zweck der Regelung, dass die Teilnahme der Gesellschafter bzw. Mitglieder an der Versammlung nicht durch die wahl des Versammlungsortes beeinträchtigt werden darf, kann aber auch ein abweichender Versammlungsort gewählt werden, sofern dadurch die Teilnahme der Gesellschafter oder Mitglieder nicht erschwert wird (vgl. zur GmbH: BGH, Urteil vom 28.01.1985 – II ZR 79/84, WM 1985, 567 Rn 9). Die wahl des Versammlungsortes in W… ist danach nicht zu beanstanden. Der Kläger legt lediglich bezogen auf zwei Mitglieder, die in H… wohnhaft sind, die schlechtere Erreichbarkeit des Versammlungsortes dar. Dem Einwand der Beklagten, dass etwa 85% der Mitglieder den Versammlungsort in W… leichter erreichen könnten, als den Sitz der Beklagten zu 1. in P…, ist der Kläger, der für das Vorliegen von Umständen, die die Nichtigkeit begründen, darlegungs- und beweispflichtig ist, weder konkret entgegengetreten, noch hat er insoweit Beweis angeboten. Eine Einschränkung des Rechts zur Teilnahme für die Mitglieder ist ausgehend von dem Vortrag der Beklagten gerade nicht mit der wahl des Versammlungsortes verbunden, auch wenn ein geringer Anteil der Mitglieder den Versammlungsort W… schlechter erreichen konnte, als den Sitz der Beklagten zu 1. in P….

7.

Auch die von der Beklagten zu 1. Im Vorfeld der Versammlung mitgeteilte Frist für die Vorlage von Stimmrechtsvollmachten begründet nicht die Nichtigkeit der in der Sitzung vom 09.10.2020 festgestellten Beschlüsse. Sie ist nicht mit einer unterbliebenen Einberufung der GesellschafterversammlungBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Einberufung
Einberufung der Gesellschafterversammlung
Gesellschafterversammlung
vergleichbar. Die Satzung sieht zulässig aufgrund § 43 Abs. 5 Satz 3 GenG persönliche Voraussetzungen für die Personen vor, denen Vollmacht erteilt werden kann. Danach können nur Mitglieder oder Ehegatten, Eltern, volljährigen Kinder oder Geschwister ein Mitglied vertreten oder sie müssen in einem Gesellschafts- oder Angestelltenverhältnis zum vertretenen Mitglied stehen.Randnummer47

Die hier mit Schreiben vom 29.09.2020 mitgeteilte Frist zur Vorlage der Vollmachten bis spätestens 06.10.2020 begründet keine rechtswidrige Beschränkung der Teilnahme und des Stimmrechts der Mitglieder, auch wenn, wie der Kläger geltend macht, ihm dieses Schreiben erst am 05.10.2020 vorgelegen hat. Die Erteilung der Vollmacht konnte auf dem zuvor bereits mit der Ladung zur Versammlung versandten Formular (vgl. Anl K4, Bl 57) per Telefax oder E-Mail zur Prüfung der Beklagten zu 1. auch kurzfristig übermittelt werden. Zugleich eröffnete die Beklagte zu 1. die Möglichkeit, mit einer Blankovollmacht ein anwesendes Mitglied zur Stimmabgabe zu ermächtigen und dabei Weisungen zu erteilen. Die Übersendung der Vollmachten vor Beginn der Versammlung ist wegen der persönlichen Voraussetzungen, die bei dem Bevollmächtigten vorliegen mussten, sachlich gerechtfertigt. Dabei ist unerheblich, ob grundsätzlich der Nachweis einer Bevollmächtigung auch noch im Anschluss an eine Versammlung zulässig geführt werden darf. Maßgeblich ist, dass die in der Versammlung gefassten Beschlüsse erst nach abschließender Beurteilung aller erteilten Vollmachten zuverlässig festgestellt werden können. Damit liegt ein berechtigtes Interesse an einer Prüfung der Vollmachtserteilung vor Beginn der Versammlung vor, das die Beklagte zu 1. durch die Bestimmung einer Vorlagefrist klarstellen konnte. Wegen der verschiedenen Möglichkeiten, eine Vollmacht zu erteilen, war auch bei Zugang des Schreibens vom 29.09.2020 erst einen Tag vor dem angegebenen Fristablauf die Erteilung und Mitteilung einer Vollmacht ohne größere Schwierigkeiten zu bewerkstelligen. Die Regelung des § 241 Abs. 1 Nr. 1 AktG soll vermeiden, dass Aktionäre überrumpelt werden, in dem sie nicht von der Einberufung unterrichtet oder Zweifel begründet werden, ob die Versammlung wirksam einberufen ist, da nicht das zuständige Organ gehandelt hat. Eine vergleichbare Situation tritt mit der nach rechtzeitiger Einberufung durch das zuständige Organ mitgeteilten Vorgabe, Stimmrechtsvollmachten aufgrund des bereits übersandten Formulars vorab einzureichen, nicht ein.

8.

Die nach dem Vortrag des Klägers möglicherweise unrichtige Ermittlung der Abstimmungsergebnisse begründet nicht die Nichtigkeit der gefassten Beschlüsse. Fehler bei der Feststellung des Abstimmungsergebnisses begründen lediglich die Anfechtbarkeit eines Beschlusses, es sei denn, sie sind offenkundig (BGH, Urteil vom 13.03.1980 – II ZR 54/78, NJW 1980, 1465 (1467); Urteil vom 25.05.1961 – II ZR 136/59, BB 1961, 802; Lang/Weidmüller-Holthaus/Lehnhoff, GenG, § 51 Rn. 12, 27 Berliner Kommentar GenG/Keßler, § 51 Rn. 11; Pöhlmann/Fandrich/Bloehs-Fandrich, § 51 Rn 12). Die Behauptung des Klägers, dass zehn Mitglieder die Versammlung verlassen hätten, bei der Auszählung der Stimmen aber berücksichtigt worden seien, ist nicht offenkundig. Der Kläger selbst trägt nicht vor, dass das Verlassen der Versammlung durch bestimmte Mitglieder konkret festgestellt worden wäre, sonst berief sich erstinstanzlich auf eine „Schätzung“ eines Mitglieds (Ss vom 24.09.2001, S. 12), die er zweitinstanzlich als „nachweislich“ bezeichnete, die aber hinsichtlich der betreffenden Personen nicht näher festgestellt worden ist. Offen bleibt auch, ob, wie der Kläger meint, gerade denjenigen Mitgliedern, die die Versammlung vorzeitig verlassen haben sollen, Stimmrechtsvollmacht erteilt worden war. Dies trägt der Kläger in Bezug auf ein Mitglied vor, im Übrigen stellt er Vermutungen an, ein offenkundiger Fehler liegt darin nicht. Inwiefern Abstimmungsergebnisse infolge des angewendeten Substraktionsverfahrens ohne zuverlässige Feststellung der anwesenden und vertretenen Stimmen fehlerhaft waren und sich auf das Abstimmungsergebnis ausgewirkt haben können, wäre bei zulässiger Anfechtung einer gesonderten Prüfung vorbehalten.

8.

Die Behauptung, die Mitglieder von Aufsichtsrat und Vorstand hätten bei ihrer Entlastung mitgestimmt und damit eine unzulässige Selbstentlastung bewirkt, § 43 Abs. 6 GenG, hat ebenso wenig ein offenkundig unrichtiges Abstimmungsergebnis bewirkt. Die Beklagte zu 1. verfügt über zwei Liquidatoren und drei Aufsichtsratsmitglieder. Weder die Beschlussfassungen über die Entlastung der Liquidatoren noch die Beschlussfassungen über die Entlastung der Aufsichtsratsmitglieder ist mit einem Stimmenverhältnis beschlossen worden, bei dem die fünf Stimmen der Organmitglieder entscheidend berücksichtigt worden sind. Gleiches gilt für die Neuwahl der Aufsichtsratsmitglieder K… und L….

9.

Die Neuwahl des Aufsichtsratsmitgliedes K… ist nicht in entsprechender Anwendung des § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG unwirksam, da er zugleich dem Vorstand der … AG angehört. Die entsprechende Anwendung des § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG setzt eine planwidrige Regelungslücke voraus. Davon kann hier nicht ausgegangen werden. Die Regelung des § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG betrifft nach seinem Wortlaut die Tätigkeit eines Aufsichtsratsmitgliedes, das zugleich gesetzlicher Vertreter einer „anderen Kapitalgesellschaft“ ist. Damit ist im direkten Anwendungsbereich des § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG die Tätigkeit im Aufsichtsrat der AG gerade nicht ausgeschlossen, wenn das Aufsichtsratsmitglied zugleich Vorstand einer Genossenschaft ist, da die Genossenschaft keine Kapitalgesellschaft ist (allgM, vgl. BeckOGK/Spindler, § 100 AktG Rn. 16 m.w.N.). Damit im Einklang steht es, wenn eine der Regelung § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG entsprechende Regelung für den Aufsichtsrat der Genossenschaft, der gleichzeitig in einer AG als Vorstand tätig ist, fehlt, weil der Gesetzgeber in § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG die Unvereinbarkeit auf „andere Kapitalgesellschaften“ bezieht. Dies spricht gegen eine planwidrige Lücke, vielmehr für eine planmäßig unterbliebene Regelung. Soweit die vom Kläger zitierte Kommentierung (Lang/Weidmüller, GenG, § 37 Rn. 1) davon ausgeht, dass sich bereits aus § 37 GenG die entsprechende Anwendung des § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG ergebe, steht dies im Widerspruch dazu, dass das Aktiengesetz in § 105 AktG die Unvereinbarkeit von Ämtern seinerseits regelt und damit auch die Grundlage für die Neufassung des § 37 GenG durch die Novelle zum Genossenschaftsrecht 2006 bildete (vgl. BT-Drs. 16/1025, S. 85). Eine dem § 100 Abs. 2 Nr. 3 AktG entsprechende Regelung ist bei der Gesetzesnovelle gerade nicht in das Genossenschaftsgesetz aufgenommen worden.Randnummer51

Die bei der wahl des Aufsichtsrates nicht gewahrte Geheimhaltung begründet ebenfalls keinen schwerwiegenden Fehler des Wahlvorganges, der die Nichtigkeit der wahl bewirken würde. Der Wirksamkeit der wahl von J… H… K… als Aufsichtsratsmitglied steht nicht entgegen, dass er mit der Liquidatorin I… K… verheiratet ist.

10.

Mängel der Feststellung der Jahresabschlüsse 2018 und 2019, die die Nichtigkeit analog § 256 Abs. 1 AktG begründen könnten, legt der Kläger nicht dar. Soweit er sich darauf beruft, dass der Prüfer des Verbandes nach § 55 Abs. 1 GenG befangen sei, weil er mit der Prüferin der Jahresabschlüsse verheiratet sei und mit ihr gemeinsam ein Büro betreibe, begründet die daraus resultierende mögliche Befangenheit keine Anfechtungsgründe für die Mitglieder der Beklagten zu 1. (vgl. Lang/Weidmüller-Holthaus/Lehnhoff, § 55 Rn 20).

III.

Die Kostenentscheidung ergeht gemäß § 97 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 711 Satz 2, § 709 Satz 2 ZPO.Randnummer54

Die Revision wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen insoweit nicht vorliegen, § 543 Abs. 2 ZPO.Randnummer55

Der Gebührenstreitwert für den Rechtsstreit in beiden Instanzen, hinsichtlich der ersten Instanz gemäß § 63 Abs. 3 Nr. 2 GKG, wird entsprechend § 247 Abs. 1 AktG, § 3 ZPO auf 2.500 € für jeden der angefochtenen Beschlüsse, insgesamt 17.500 € festgesetzt. Das Interesse der Anträge zur Anfechtung und Feststellung der Nichtigkeit der Beschlüsse ist wirtschaftlich identisch.

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