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Schleswig-Holsteinisches Oberlandesgericht, Beschluss vom 20.06.2024 – 2x W 36/24 

Zwangshypothek

Art 229 § 21 Abs 1 BGBEG, § 39 Abs 1 GBO, § 47 Abs 2 GBO

1. Grundsätzlich kann das Grundbuchamt im Anwendungsbereich des Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB über § 47 Abs. 2 GBO hinaus verlangen, dass die GbR im Gesellschaftsregister eingetragen wird (und gegebenenfalls das Grundbuch berichtigt wird), bevor sie über ein Recht verfügt.

2. Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB ist nicht anwendbar, wenn es um die Eintragung einer Zwangshypothek zu Lasten einer (nicht im Gesellschaftsregister eingetragenen) GbR geht, auch wenn die Vorschrift ihrem Wortlaut nach greift.

3. Die Nichtanwendung von Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB im Wege einschränkender Auslegung für den Fall der Eintragung einer Zwangshypothek ergibt sich aus dem Willen des (historischen) Gesetzgebers, dem Sinn und Zweck der Norm sowie dem Justizgewährungsanspruch des Gläubigers.

Tenor

Auf die Beschwerde vom 17.05.2024 wird die Zwischenverfügung vom 17.04.2024 aufgehoben. Das Grundbuchamt wird angewiesen, die Eintragung der Zwangssicherungshypothek nicht davon abhängig zu machen, dass die Beteiligte zu 3 zuvor in das Gesellschaftsregister eingetragen und das Grundbuch entsprechend berichtigt wird.

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 3 ist als Eigentümerin des im Grundbuch von X Blatt … des Amtsgerichts X eingetragenen Grundbesitzes eingetragen. Es handelt sich um ein in der …straße … in X belegenes Grundstück.Randnummer2

Die Antragstellerin und Beschwerdeführerin hat mit Schreiben vom 15.03.2024, eingegangen am 18.03.2024, beim Amtsgericht X – Vollstreckungsgericht – unter Vorlage von Vollstreckungsbescheiden beantragt, eine Sicherungshypothek zu Lasten des im Eigentum der Schuldnerin stehenden in der …straße …, 2… X belegenen Grundbesitzes einzutragen.Randnummer3

Am 02.04.2024 hat das Grundbuchamt des Amtsgerichts X unter Bezugnahme auf Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB mitgeteilt, dass die Eintragung der Zwangssicherungshypothek nicht erfolgen könne, solange die GbR nicht im Gesellschaftsregister eingetragen und das Grundbuch entsprechend berichtigt worden sei.Randnummer4

Nach weiterem Schriftwechsel hat die Antragstellerin mit Schreiben vom 12.04.2024 mitgeteilt an dem Antrag festzuhalten, es handele sich um eine Vollstreckungsmaßnahme.Randnummer5

Mit der angegriffenen Zwischenverfügung vom 17.04.2024 hat das Grundbuchamt des Amtsgerichts X der Antragstellerin aufgegeben, für die Eintragung der GbR in das Gesellschaftsregister und die Voreintragung der eGbR in das Grundbuch zu sorgen. Es liege ein Fall des Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB vor. Der Gesetzgeber habe keine abweichende Regelung für den Fall der Zwangsvollstreckung gegen eine GbR getroffen.Randnummer6

Hiergegen hat die Antragstellerin am 17.05.2024 Beschwerde eingelegt. Das Voreintragungserfordernis sei nicht anwendbar, zumindest müsste der Antragstellerin ein Antragsrecht entsprechend § 39 GBO zustehen. Dies ergebe sich aus dem Justizgewährungsanspruch, der ansonsten mangels Mitwirkung der Zwangsvollstreckungsschuldnerin unterlaufen würde. Der Gesetzgeber habe das Problem durchaus gesehen, im Ergebnis sei der Gesetzgeber davon ausgegangen, dass die GbR den Zugriff durch Zwang nicht dadurch vereiteln oder verzögern könnte, dass sie keinen Antrag auf Grundbuchberichtigung stelle.Randnummer7

Mit Beschluss vom 22.05.2024 hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen und das Verfahren dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht vorgelegt.

II.

Die zulässige Beschwerde gegen die Zwischenverfügung ist begründet.Randnummer9

Das Grundbuch durfte mit der angegriffenen Zwischenverfügung nicht verlangen, dass die Beteiligte zu 3 vor einer Eintragung der Zwangssicherungshypothek in das Gesellschaftsregister eingetragen und das Grundbuch entsprechend berichtigt wird.Randnummer10

Das Erfordernis einer Eintragung der GbR im Gesellschaftsregister und Berichtigung im Grundbuch ergibt sich vorliegend nicht aus Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB.Randnummer11

Grundsätzlich kann das Grundbuchamt im Anwendungsbereich des Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB die (vorherige) Eintragung der GbR verlangen (dazu Ziffer 1). Die Vorschrift ist in der vorliegenden Konstellation jedoch nicht anwendbar (dazu Ziffer 2).Randnummer12

1. Nach Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB sollen Eintragungen in das Grundbuch, die ein Recht einer Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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betreffen, nicht erfolgen, solange die Gesellschaft nicht im Gesellschaftsregister eingetragen und daraufhin nach den durch das Personengesellschaftsrechtsmodernisierungsgesetz vom 10. August 2021 geänderten Vorschriften im Grundbuch eingetragen ist.Randnummer13

Daher kann das Grundbuchamt im Anwendungsbereich des Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB über § 47 Abs. 2 GBO hinaus (danach Eintragung eines Rechts „für“ die Gesellschaft nur wenn sie im Gesellschaftsregister eingetragen ist, vgl. BT-Drs. 19/27635, S. 206 f.) verlangen, dass die GbR im Gesellschaftsregister eingetragen wird (und gegebenenfalls das Grundbuch berichtigt wird), bevor sie über ein Recht verfügt (vgl. BT-Drs. 19/27635, S. 216; sog. Voreintragungserfordernis, vgl. zur Begrifflichkeit Gesetzesbegründung a.a.O. S. 217, 219; vgl. Bauer/Schaub/Wegmann, 5. Aufl. 2023, GBO § 47 Rn. 220).Randnummer14

2. Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB ist auf den hier zu beurteilenden Sachverhalt (Eintragung einer Zwangshypothek zu Lasten der GbR) jedoch nicht anwendbar, auch wenn die Vorschrift ihrem Wortlaut nach greift (vgl. BT-Drs. 19/27635, S. 218/219). Im Ergebnis jedenfalls muss die Eintragung einer Zwangshypothek auch ohne Zutun der (Schuldner-)GbR beziehungsweise ihrer Gesellschafter möglich sein (ebenso Lorenzen, DNotZ 2024, 163, 171). Dieses Auslegungsergebnis folgt aus dem Willen des (historischen) Gesetzgebers (dazu lit. a), dem Sinn und Zweck der Norm (dazu lit. b) sowie dem Justizgewährungsanspruch des Gläubigers (dazu lit. c). Die Nichtanwendung von Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB im Wege einschränkender Auslegung ist auch der richtige Weg zur Umsetzung dieses Ergebnisses (dazu lit. d).Randnummer15

a) Die Nichtanwendung des Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB entspricht dem Willen des Gesetzgebers, wie bereits aus der Gesetzesbegründung folgt. Danach hat der Gesetzgeber die hier vorliegende Konstellation, in der ein Dritter in das Grundstück einer nach altem Recht eingetragenen GbR vollstrecken will, gesehen und eine vorherige Eintragung der Schuldner-GbR in das Gesellschaftsregister sowie Berichtigung des Grundbuchs gerade nicht für erforderlich gehalten (vgl. BT-Drs. 19/27635, S. 219: „In entsprechender Anwendung von § 14 GBO ist dem Vollstreckungsgläubiger daher die Möglichkeit einzuräumen, im Grundbuchverfahren die Eintragung der Zwangs- oder Arresthypothek eigenständig zu betreiben“).Randnummer16

b) Zudem ist eine Anwendung bei Sachverhalten wie dem vorliegenden auch nach einem der Normziele nicht angezeigt. Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB bezweckt unter anderem, die Gesellschafter dazu anzuhalten, von der Möglichkeit der Eintragung der GbR Gebrauch zu machen (so ausdrücklich für § 47 Abs. 2 GBO n.F.: BT-Drs. 19/27635, S. 206; die Begründung zu Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB kann man ebenfalls in diesem Sinne verstehen, vgl. BT-Drs. 19/27635, S. 216, wonach die vorherige Eintragung der GbR im Interesse des Rechtsverkehrs liegt).Randnummer17

Dieses Ziel würde im vorliegenden Fall durch eine Anwendung der Norm nicht nur nicht erreicht. Im Gegenteil würde in Sachverhaltskonstellationen wie der hier zugrundeliegenden gerade der gegensätzliche Anreiz gesetzt, wenn man eine Eintragung einer GbR in das Gesellschaftsregister fordern würde, bevor Gläubiger in das Grundvermögen der GbR vollstrecken könnten: Das Unterlassen der Eintragung in das Gesellschaftsregister hätte für die nicht eingetragene GbR den Vorteil, dass der Gläubigerzugriff auf ihr Grundvermögen vereitelt oder zumindest erschwert würde.Randnummer18

c) Schließlich spricht der letztgenannte Aspekt auch unter dem Gesichtspunkt des (grundrechtlich geschützten) Justizgewährungsanspruches der jeweiligen Gläubiger für die hier vertretene Auffassung (vgl. auch Lorenzen a.a.O.). Ansonsten würde für die (Schuldner-)GbR bzw. für deren Gesellschafter eine Möglichkeit eröffnet, den Gläubigerzugriff auf ihr Grundvermögen zu vereiteln oder zumindest zu erschweren, ohne dass der Gläubiger die Möglichkeit hätte ohne weiteres dagegen vorzugehen.Randnummer19

d) Aus den vorstehenden Ausführungen folgt im Ergebnis, dass Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB in der vorliegenden Konstellation nicht greift und die Eintragung in entsprechender Anwendung nach der alten Rechtslage erfolgen kann (ebenso Lorenzen, a.a.O., S. 171).Randnummer20

Der Gesetzgeber verhält sich in der Gesetzesbegründung nicht im Einzelnen, wie das nach seiner Auffassung richtige Ergebnis (eigenständiges Betreiben der Zwangsvollstreckung) erreicht werden soll und verweist auf eine entsprechende Anwendung von § 14 GBO und eine Rechtsprechung des Senates hierzu (vgl. BT-Drs. 19/27635, S. 219). Der Hinweis auf § 14 GBO ist in diesem Zusammenhang jedoch nicht weiterführend (ebenso Lorenzen, a.a.O., S. 171). Dies gilt gleichermaßen für die Ausführungen in der Gesetzesbegründung, wonach das Antragsrecht zur Berichtigung des Grundbuches entsprechend § 14 GBO zu Gunsten desjenigen erweitert werden soll, der einen vollstreckbaren Titel gegen den im Grundbuch eingetragenen Berechtigten hat (vgl. BT-Drs. 19/27635, S. 219). Die in diesem Zusammenhang denkbare (zwangsweise) Eintragung der GbR in das Gesellschaftsregister auf Betreiben des Gläubigers und Berichtigung des Grundbuchs in der Folge (so etwa unter entsprechender Anwendung von § 14 GBO Demharter GBO, 33. Aufl. § 47 Rn. 45; Kramer, FGPrax 2023, 193, 197; auf eine nebenvertragliche Pflicht im Einzelfall statt auf § 14 GBO abstellend: Bauer/Schaub/Wilke, 5. Aufl. 2023, GBO § 14 Rn. 3a), ist weder im Interesse der GesellschaftBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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bzw. der Gesellschafter noch im Interesse des Gläubigers. Der (Schuldner-)GbR bzw. deren Gesellschafter würde ansonsten eine zwar vom Gesetzgeber gewollte aber an sich freiwillige Eintragung ins Gesellschaftsregister aufgezwungen. Dem Gläubiger wiederum würde ein zeitintensives Vorverfahren (mit „Vorwarnung“ des Schuldners) aufgebürdet trotz der regelmäßig bestehenden Eilbedürftigkeit im Rahmen der Zwangsvollstreckung (ebenso Lorenzen, a.a.O., S. 169). Auch der Gesetzgeber hält diesen Weg nicht für gangbar (vgl. BT-Drs. 19/27635, S. 219: „der Vollstreckungsgläubiger [hat] auf die Eintragung der Gesellschaft bürgerlichen RechtsBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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im Gesellschaftsregister aber selbst keinen Einfluss […], weil ihre Anmeldung freiwillig und durch sämtliche Gesellschafter zu bewirken ist, und es [ist] ihm nicht zuzumuten […], erst noch einen entsprechenden Titel gegen sämtliche Gesellschafter zu erwirken und zu vollstrecken“).Randnummer21

Demgegenüber bietet eine einschränkende Auslegung von Art. 229 § 21 Abs. 1 EGBGB aus den vorstehend ausgeführten Gründen (Gesetzesgeschichte, Sinn und Zweck sowie Justizgewährungsanspruch der Gläubiger lit. a-c) dahingehend, dass die Vorschrift in Konstellationen wie der vorliegenden nicht anzuwenden ist, eine kohärente und tragfähige Lösung. Im Ergebnis ist die Eintragung einer Zwangshypothek in entsprechender Anwendung nach der alten Rechtslage vorzunehmen, ohne dass eine vorherige Eintragung der GbR in das Gesellschaftsregister erforderlich wäre.

Schlagworte: eGbR, GbR, Zwangshypothek