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OLG Düsseldorf, Urteil vom 3. April 2003 – I-6 U 147/02

Zweiwochenfrist fristlose Kündigung

§ 626 Abs 2 BGB, Art 30 BGBEG, § 513 Abs 2 ZPO vom 27.07.2001, § 592 ZPO

1. § 513 Abs. 2 ZPO in der Fassung vom 27. Juli 2001 umfasst die Frage der internationalen Zuständigkeit nicht.

2. Die Wertungsfrage, ob urkundlich belegte Indiztatsachen den Schluss auf eine konkludente Vereinbarung rechtfertigen, ist im Urkundenverfahren erst im Rahmen der Begründetheit der Klage zu beantworten.

3. Zur analogen Anwendbarkeit von Art. 30 EGBGB auf den Anstellungsvertrag eines GmbH-Geschäftsführers.

4. Werden sämtliche Gesellschaftsanteile der den Geschäftsführer anstellenden GmbH von einer juristischen Person gehalten, kommt es für den Beginn der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB darauf an, wann das für die Kündigung vertretungsberechtigte Organ dieser juristischen Person die maßgebliche Kenntnis erhielt (Abgrenzung zu BGH, 15. Juni 1998, V ZR 180/97, WM 1998, 1537).

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das am 2. April 2002 verkündete Vorbehaltsurteil der 5. Kammer für Handelssachen des Landgerichts Düsseldorf unter Zurückweisung des weiter gehenden Rechtsmittels der Beklagten zu 2) abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte zu 2) wird verurteilt, an den Kläger 183.031,20 € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz aus je 15.252,60 € seit dem 21. März 2001, 21. April 2001, 22. Mai 2001, 21. Juni 2001, 21. Juli 2001, 21. August 2001, 21. September 2001, 23. Oktober 2001, 21. November 2001, 21. Dezember 2001, 22. Januar 2002 und 21. Februar 2002 zu zahlen.

Die weiter gehende Klage wird abgewiesen.

Die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers tragen dieser und die Beklagte zu 2) zu je 1/2.

Die außergerichtlichen Kosten der Beklagten zu 1) werden dem Kläger auferlegt.

Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger und die Beklagte zu 2) können die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des für die vollstreckende Partei aufgrund dieses Urteils vollstreckbaren Geldbetrages abwenden, wenn nicht die vollstreckende Partei vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet. Die Sicherheiten können auch durch Bürgschaft einer in der Bundesrepublik Deutschland ansässigen Bank oder Sparkasse erbracht werden.

Der Beklagten zu 2) wird die Ausführung ihrer Rechte vorbehalten.

Gründe

A.

Zum Sachverhalt wird gemäß § 540 Abs. 1 Nr. 1 ZPO zunächst auf die tatsächlichen Feststellungen in dem angefochtenen Urteil Bezug genommen. Randnummer2

Mit ihrer Berufung machen die Beklagten geltend, die angefochtene Entscheidung sei von „dogmatischen Brüchen“ gekennzeichnet. Im Verhältnis des Klägers zu der Beklagten zu 1) sei das Landgericht bereits rechtsfehlerhaft von der internationalen Zuständigkeit ausgegangen, da die Beklagte zu 2) unabhängig von der Beklagten zu 1) eigene Geschäfte generiere und abwickle. Ebenso rechtsfehlerhaft habe das Landgericht seine sachliche Zuständigkeit unterstellt, anstatt gemäß (gemeint ist:) § 17 a Abs. 2 GVG zu verfahren. Den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten rügen die Beklagten, wie sie im Senatstermin erklärt haben, nicht, beziehungsweise nicht mehr. Randnummer3

Sie halten das Urkundenverfahren für nicht statthaft. Randnummer4

Weiter fehlerhaft habe das Landgericht materielles deutsches Recht angewandt. Dabei sei schon widersprüchlich, dass das Landgericht einerseits seine sachliche Zuständigkeit angenommen und damit den Kläger nicht als Arbeitnehmer angesehen habe, andererseits aber Art. 30 EGBGB, der die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers voraussetze, herangezogen habe. Sei der Kläger Arbeitnehmer, müsse konsequenterweise auch § 13 Abs. 1 Satz 2 KSchG Anwendung finden. Randnummer5

Soweit das Landgericht aus dem zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) geschlossenen Vertrag eine Weisungsabhängigkeit auch in dem Verhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ableiten wolle, sei dies nur dann möglich, wenn eine sogenannte Drittanstellung vorliegen würde. Eine solche würde aber dazu führen, dass mit der Beklagten zu 2) kein Vertragsverhältnis bestanden hätte, sondern lediglich ein Organverhältnis. Für Rechtsstreitigkeiten aus dem zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) bestehenden Vertrag seien dann wiederum die Arbeitsgerichte zuständig, was zur Anwendung von § 13 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit § 4 KSchG führe. Schließlich hätte bei einer sogenannten Drittanstellung die Klage gegen die Beklagte zu 2) mangels Vorliegen eines Vertragsverhältnisses abgewiesen werden müssen. Randnummer6

Stattdessen habe das Landgericht einen konkludenten Vertragsschluss zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) angenommen. Abgesehen davon, dass sich hierfür Anhaltspunkte weder aus dem Vortrag der Parteien noch den vorgelegten Urkunden unmittelbar oder mittelbar entnehmen ließen, mache es überhaupt keinen Sinn, dass hier zwei Anstellungsverträge geschlossen worden sein sollen. Dies gelte umso mehr, als – wie unstreitig ist – der Kläger für die Beklagte zu 1) jedenfalls nach Beginn seiner Tätigkeit bei der Beklagten zu 2) überhaupt nicht mehr tätig gewesen sei. Wenn man schon den vom Landgericht eingeschlagenen Weg eines konkludenten Vertragsschlusses verfolge, müsse man zwingend eine konkludente Aufhebung des Vertragsverhältnisses zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) annehmen. Randnummer7

Die weiteren Ausführungen zu § 174 BGB seien schon wegen der wahl englischen Rechts offensichtlich rechtsfehlerhaft. Darüber hinaus habe das Landgericht auch verkannt, dass § 174 BGB keine zwingende Bestimmung des deutschen Rechts im Sinne des Art. 30 Abs. 1 EGBGB darstelle. Im Übrigen sei § 174 BGB auf gesetzliche Vertreter nicht anzuwenden. Um eine solche Vertretung gehe es hier. Randnummer8

Hinsichtlich der Höhe des vom Kläger geltend gemachten Anspruchs habe das Landgericht die Vorschrift des § 615 Satz 2 BGB und den Vortrag der Beklagten hierzu übersehen. Randnummer9

Die Beklagten beantragen, Randnummer10

unter Abänderung des am 2. April 2002 verkündeten Urteils des Landgerichts Düsseldorf – 35 O 50/01 – die Klage abzuweisen. Randnummer11

Der Kläger beantragt, Randnummer12

die Berufung der Beklagten zurückzuweisen. Randnummer13

Der Kläger verteidigt unter zusammenfassender Wiederholung seines erstinstanzlichen Vorbringens das angefochtene Urteil. Randnummer14

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die in beiden Instanzen gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen sowie das angefochtene Urteil Bezug genommen.

B.

Die zulässige Berufung der Beklagten zu 1) ist begründet, die der Beklagten zu 2) im Wesentlichen unbegründet. Die zulässige Klage gegen die Beklagte zu 1) ist unschlüssig und abzuweisen, die gegen die Beklagte zu 2) in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet.

I.

Die im Urkundenverfahren erhobene Klage ist zulässig.

1.

Auch der Streit zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) unterliegt der deutschen Gerichtsbarkeit.

a)

Das Berufungsgericht ist befugt, die internationale Zuständigkeit zu prüfen. Dem steht § 513 Abs. 2 ZPO in der seit dem 1. Januar 2002 geltenden Fassung nicht entgegen. Diese Vorschrift umfasst die Frage der internationalen Zuständigkeit nicht. Insoweit gilt nichts anderes als für § 545 Abs. 2 ZPO n.F. im Revisionsverfahren (vgl. hierzu BGH, NJW 2003, 426, 427).

b)

Das Landgericht hat seine internationale Zuständigkeit zu Recht angenommen. Randnummer20

Die Parteien haben keinen ausschließlichen Gerichtsstand vereinbart, so dass der Kläger den Weg zu den deutschen Gerichten wählen konnte, wenn deren internationale Zuständigkeit gegeben ist. Diese folgt hier aus Art. 6 Nr. 1 EuGVÜ, der nach der Auslegung des EuGH (NJW, 1988, 3088, 3089) inhaltlich mit Art. 6 Nr. 1 der am 1. März 2002 in Kraft getretenen Verordnung (EG) Nr. 44/2001 vom 22. Dezember 2000 des Rates über die gerichtliche Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (EuGVVO) übereinstimmt. Danach kann eine Person, die ihren Wohnsitz in dem Hoheitsgebiet eines Vertragsstaates hat, auch vor dem Gericht, in dessen Bezirk einer von mehreren Beklagten seinen Wohnsitz hat, verklagt werden, wenn zwischen den verschiedenen Klagen des Klägers ein Zusammenhang besteht, der eine gemeinsame Entscheidung geboten erscheinen lässt, um zu vermeiden, dass in getrennten Verfahren widersprechende Entscheidungen ergehen können. Diese Konnexität ist hier gegeben. Der Kläger stützt seine Ansprüche sowohl gegenüber der Beklagten zu 1) als auch gegenüber der Beklagten zu 2) auf einen einheitlichen Lebenssachverhalt. Es besteht zudem die Möglichkeit, dass bei einer getrennten Verhandlung widersprechende Entscheidungen ergehen. So könnte bei getrennter Entscheidung die Klage gegen die Beklagte zu 1) mit der Begründung abgewiesen werden, die Beklagte zu 2) sei Vertragspartnerin des Klägers geworden, damit zugleich der Vertrag mit der Beklagten zu 1) beendet worden, während die Klage gegen die Beklagte zu 2) mit der Begründung, diese sei zu keinem Zeitpunkt Vertragspartnerin des Klägers geworden, vielmehr sei Vertragspartnerin stets und allein die Beklagte zu 1) gewesen, ebenfalls abgewiesen werden könnte.

2.

Den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten rügen die Beklagten nicht (mehr), wie sie im Senatstermin vom 30. Januar 2003 ausdrücklich erklärt haben. Unabhängig von der Frage, ob sie den Rechtsweg in der ersten Instanz überhaupt beanstandet haben, sind sie damit so zu stellen, als ob das Landgericht die Rechtswegzuständigkeit mit bindender Wirkung (§ 17 a Abs. 4 GVG) verfahrensfehlerfrei festgestellt hat.

3.

Das Urkundenverfahren ist statthaft. Randnummer23

Nach § 592 ZPO muss der Beweis durch Urkunden hinsichtlich aller anspruchsbegründenden Tatsachen geführt werden können. Hierzu ist ausreichend, dass der Anspruch durch Urkunden im Sinne des Urkundenbeweises nach den Grundsätzen der freien Beweiswürdigung (§ 286 ZPO) bewiesen werden kann. Es genügt daher jede Urkunde, die geeignet ist, dem Gericht gegenüber den Beweis für das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs unmittelbar oder mittelbar (z.B. durch den Beweis von Indiztatsachen) zu erbringen (vgl. BGH, WM 1983, 22 m.w.N.). Randnummer24

Der Kläger verfolgt Vergütungsansprüche gegenüber den Beklagten auf der Grundlage der in Kopie vorgelegten Urkunden. Danach ist ein Vertragsschluss zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) belegt. Nicht belegt ist aber bereits, ob die aus den Schreiben der Beklagten zu 2) vom 20. Dezember 1999 und 26. Oktober 2000 (Anlagen K 10, 11 = Bl. 42, 43 GA) zu entnehmenden Gehaltserhöhungen Wirkung im Verhältnis zur Beklagten zu 1) entfalten. Was das Verhältnis des Klägers zur Beklagten zu 2) anbelangt, ist selbst auf der Grundlage des Klagevorbringens kein ausdrücklicher Anstellungsvertrag geschlossen worden, so dass hierüber dem Kläger auch keine unmittelbare Urkunde vorliegt. Randnummer25

Der Kläger meint, die zur Klagebegründung dargelegten und durch die vorgelegten Urkunden belegten Indiztatsachen rechtfertigten inhaltlich den Schluss auf eine konkludente Vereinbarung über eine Gehaltserhöhung mit der Beklagten zu 1) und das konkludente Zustandekommen eines Anstellungsvertrages mit der Beklagten zu 2). Diese Auffassung betrifft die Schlüssigkeit eines Indizienbeweises, die tatrichterliche Würdigung von Indiztatsachen. Nur wenn diese Auffassung zutrifft, könnten die Indiztatsachen, wären sie selbst bestritten, beweiserheblich werden. Indiztatsachen sind beweiserheblich, wenn sie geeignet sind, das Gericht von der Wahrheit der Haupttatsache zu überzeugen. Diese Eignung muss schlüssig dargelegt sein (vgl. BGH, NJW 1982, 2447). Randnummer26

Die Wertungsfrage, ob Indiztatsachen den Schluss auf eine konkludente Vereinbarung rechtfertigen, ist auch im Urkundenverfahren im Rahmen der Begründetheit der Klage zu beantworten. Für die Zulässigkeit reicht es aus, wenn – wie hier – der Kläger die Auffassung vertritt, die durch die ihm verfügbaren Urkunden belegten und insoweit einzig geltend gemachten Indiztatsachen würden den Schluss auf die anspruchsbegründende konkludente Vereinbarung rechtfertigen. Randnummer27

Dass die Indizwirkung urkundlich belegter Indiztatsachen ebenso wie zum Beispiel die Frage, ob eine urkundlich belegte Vereinbarung den klageweise geltend gemachten Anspruch aus materiellen Gründen überhaupt hergibt, trotz der Regelung des § 592 ZPO nicht schon im Rahmen der Zulässigkeitsprüfung zu beurteilen ist, sondern erst im Rahmen der Begründetheit, entspricht der Behandlung so genannter Koinzidenzfälle. Eine Koinzidenz, d.h. das Zusammenfallen von zulässigkeits- und anspruchsbegründenden Tatsachen, ist z.B. bei den Feststellungsklagen üblich. Gemäß § 256 ZPO muss der Kläger, der die positive Feststellung eines Rechtsverhältnisses begehrt, ein besonderes Feststellungsinteresse aufweisen. Dieses setzt voraus, dass ein Rechtsverhältnis besteht und dass es einer richterlichen Feststellung bedarf. Die rein prozessuale Zulässigkeit der Klageerhebung ist aber auch bei der Feststellungsklage nicht davon abhängig, ob die begehrte Feststellung materiell-rechtlich getroffen werden kann. Die Untersuchung dieser Frage bleibt vielmehr der Prüfung der Begründetheit der Klage vorbehalten (vgl. BGH, NJW 1972, 198). Randnummer28

Bei anderer Auffassung zum Prüfungsumfang im Rahmen der Statthaftigkeit wäre bereits an dieser Stelle zu berücksichtigen, dass dem Kläger nicht nur der Ursprungsvertrag mit der Beklagten zu 1) vorliegt, sondern auch die von ihm urkundlich belegbaren Indiztatsachen im Verhältnis zu der Beklagten zu 2) den Schluss auf einen konkludenten Vertragsschluss rechtfertigen, wie noch aufgezeigt wird.

II.

Die Klage ist begründet, soweit der Kläger gegen die Beklagte zu 2) einen Zahlungsanspruch in Höhe von 183.031,20 € nebst den tenorierten Zinsen beansprucht. Im Übrigen ist sie unbegründet.

1.

Ursprünglich haben der Kläger und die Beklagte zu 1) den Vertrag vom 12. August/1. September 1998 (Anlage K 5 = Bl. 34 f. GA, Übersetzung Bl. 270 f. GA) geschlossen. Insbesondere kann die Erklärung der Herren B. und F. nicht dahin ausgelegt werden, dass sie im Namen der Beklagten zu 2) handelten. Dagegen spricht bereits, dass sie ausdrücklich (in deutscher Übersetzung) „für und im Namen von x-plc“ auftraten und im ersten Satz des Vertrages die Beklagte zu 1) eindeutig als die Vertragspartnerin des Klägers bezeichnet ist. Zudem war im Zeitpunkt des Vertragsschlusses die Beklagte zu 2) weder existent noch gegründet. Die Beklagte zu 2) wurde erst durch den Gesellschaftsvertrag vom 6. Oktober 1998 (Anlage K 2 = Bl. 27 ff. GA) gegründet. Auch aus tatsächlichen Gründen konnten B. und F. damit im Zeitpunkt des Vertragsschlusses nicht im Namen der Beklagten zu 2) handeln. Mit dem der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 27. Januar 1997 (GmbHR 1997, 547 = NJW-RR 1997, 669) zugrunde liegenden Sachverhalt ist der vorliegende aus den genannten Gründen nicht vergleichbar.

2.

Obwohl der Vertrag ursprünglich zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) zustande gekommen ist, kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass nach dem Willen beider Vertragsparteien der Vertrag die Tätigkeit des Klägers als Geschäftsführer der Beklagten zu 2) zum Gegenstand hatte. Dies klingt nicht nur in dem vereinbarten Ort der Tätigkeitsausübung in dem Vertrag selbst an. Hierüber ist vielmehr zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) mit dem Vertragsschluss Einvernehmen erzielt worden, wie die Schreiben der Beklagten zu 1) vom 12. und 28. August 1998 (Anlagen K 6, 7 = Bl. 36 ff. GA) und die erst anschließend erfolgte Unterzeichnung des Vertrages durch den Kläger zeigen. Danach war vereinbart, dass der Kläger zweiter Geschäftsführer der noch zu gründenden Beklagten zu 2) werden sollte. Dementsprechend ist er mit Gesellschaftsbeschluss am Gründungstag der Beklagten zu 2) zu deren Geschäftsführer neben B. bestellt worden. Randnummer32

In der Folgezeit ist nach dem übereinstimmenden Willen des Klägers und der Beklagten zu 2) ein Anstellungsverhältnis mit dieser begründet worden. Dies hat nicht nur der Kläger so gesehen, sondern selbst die Beklagte zu 2), wie sich aus dem Protokoll der Gesellschaftsversammlung vom 21. Februar 2001 (Anlage K 15 = Bl. 49 GA) und dem Kündigungsschreiben der Beklagten zu 2) gleichen Datums (Anlage K 14 = Bl. 48 GA) ergibt. Hätte aus der Sicht der Beklagten zu 2) kein Anstellungsvertrag mit dem Kläger bestanden, hätte es keiner Beschlussfassung über die Kündigung dieses Anstellungsvertrages und keiner entsprechenden Kündigung bedurft. Die Frage ist mithin nicht, ob zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ein Anstellungsvertrag geschlossen wurde, sondern nur die, wann dies war. Randnummer33

Aus den Gehaltszahlungen der Beklagten zu 2), die seit Januar 1999 (Anlage K 8 = Bl. 40 GA) erfolgten, in Verbindung mit dem Zweck des zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) geschlossenen Vertrages und weiter unter Berücksichtigung der Gehaltserhöhungen, die die Beklagte zu 2) in eigenem Namen mit Schreiben vom 20. Dezember 1999 und 26. Oktober 2000 (Anlagen K 10, 11 = Bl. 42. f. GA) erklärte, ist zwanglos zu schließen, dass der Kläger und die Beklagte zu 2) jedenfalls bereits im Jahr 1999 den übereinstimmenden Willen hatten, ein eigenes Vertragsverhältnis zu begründen. Wie sich aus den Schreiben der Beklagten zu 2) vom 20. Dezember 1999 und 26. Oktober 2000 deutlich ergibt, handelte diese insbesondere nicht als bloße Zahlstelle der Beklagten zu 1). Vielmehr gab sie in eigenem Namen Angebote auf eine entsprechende Vertragsänderung ab. Diese Angebote hat der Kläger angenommen, ohne dass es hierzu einer ausdrücklichen Erklärung bedurfte. Randnummer34

Wie nicht zuletzt wiederum die Gehaltserhöhungen zeigen, baute der Anstellungsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) auf dem Ursprungsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) auf. Dieser Vertrag wurde als gegeben, der entsprechende Vertragsinhalt als Basis vorausgesetzt. Modifikationen ergaben sich aus der Vertragsüberleitung und der weiteren Vertragsabwicklung. So wurde zum Beispiel die Gehaltshöhe modifiziert, insoweit allerdings auch – denn der Kläger nahm die ständige Zahlungspraxis der Beklagten zu 2) hin – die Vereinbarung über die Beteiligung der Beklagten zu 2) an der privaten Kranken- und Pflegeversicherung des Klägers auf einen Satz (wie in Deutschland üblich) von 50 %.

3.

Unter den gegebenen Umständen ist der Ursprungsvertrag als aufgehoben anzusehen. Denn mit der Begründung eines Anstellungsvertrages zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) hatte der Ursprungsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) seinen Zweck erfüllt. Dabei ist von entscheidender Bedeutung, dass der Kläger von Anfang an als Geschäftsführer der Beklagten zu 2) eingestellt werden sollte, mit dieser ein Vertrag aber noch nicht geschlossen werden konnte, weil sie noch nicht gegründet war, und der Zweck des Ursprungsvertrages unter Berücksichtigung der weiteren Entwicklung darin zu sehen ist, vor Gründung der Beklagten zu 2) im Interesse dieser und des Klägers bereits eine vertragliche Bindung herzustellen. Dieser Zweck hat sich erledigt, als später ein eigenes Vertragsverhältnis zwischen der Beklagten zu 2) und dem Kläger zu den Konditionen des Ursprungsvertrages mit sich aus der Vertragsüberleitung und der weiteren Vertragsabwicklung ergebenden Modifikationen begründet wurde. Durch die Tatsache, dass der Kläger auch gegenüber der Beklagten zu 1) nicht die andere Hälfte seiner Kranken- und Pflegeversicherungskosten geltend machte, wird dieses Bild abgerundet. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger oder die Beklagte zu 1) noch ein spürbares Interesse an der Aufrechterhaltung des Ursprungsvertrages hatten, sind zudem weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Es fehlen insbesondere jegliche konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger oder die Beklagte zu 1) den Ursprungsvertrag noch als fortbestehend betrachteten.

4.

Der Anstellungsvertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) ist nicht durch die fristlose Kündigung vom 21. Februar 2001 vorzeitig beendet worden.

a)

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob mit der Überleitung des Ursprungsvertrages zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 1) auf den Folgevertrag zwischen dem Kläger und der Beklagten zu 2) die ursprüngliche Rechtswahl in ihrer Gesamtheit nicht zuletzt angesichts der von nun ab einheitlichen Herkunft der ausschließlich deutschen Vertragsparteien hinfällig wurde. Denn selbst wenn man von einer im Grundsatz fortbestehenden wahl englischen Rechts ausgeht und weiter davon, dass die Voraussetzungen für einen fristlosen Kündigungsgrund nach englischem Recht weniger streng sind als nach § 626 BGB, wäre die Kündigung nur unter den Voraussetzungen dieser zwingenden (vgl. Palandt/Putzo, BGB, 62. Aufl., § 626 Rdnr. 2) Vorschrift wirksam. Dies folgt aus einer jedenfalls analogen Anwendung des Art. 30 EGBGB. Randnummer38

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs können insbesondere die Interessen eines GmbH-Geschäftsführers eine analoge Anwendung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften gebieten (BGHZ 79, 291 ff. = WM 1981, 377 f.; BGHZ 91, 217 ff. = WM 1984, 1313 f.). Dabei hat der Bundesgerichtshof es vor allem für wesentlich angesehen, dass der Geschäftsführer wie ein Arbeitnehmer der Gesellschaft seine Arbeitskraft hauptberuflich zur Verfügung stellt und von ihr je nach der Höhe seines Gehalts mehr oder weniger wirtschaftlich abhängig ist. Ausgehend von diesen Überlegungen hat der Bundesgerichtshof § 622 Abs. 1 Satz 1 BGB analog angewandt und hierzu zusätzlich berücksichtigt, dass der Geschäftsführer einer GmbH hinreichender Zeit bedarf, sich nach einer anderen hauptberuflichen Beschäftigung umzusehen, wie auch die Gesellschaft eine genügende Zeitspanne benötigt, um einen qualifizierten Nachfolger zu suchen und einzustellen. Wesentliche Begründungselemente dieser Rechtsprechung führen unter dem Gesichtspunkt der Schutzfunktion auch zu einer analogen Anwendung des Art. 30 EGBGB. Denn es würde einen Systembruch darstellen, würde man eine arbeitsrechtliche Schutzvorschrift des deutschen Rechts für analog anwendbar halten, nicht aber die Vorschrift, die diesen Schutz im internationalen Privatrecht gerade gewährleisten soll. Randnummer39

Gebietet danach bereits die analoge Anwendung arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften die analoge Anwendung von Art. 30 EGBGB, muss diese Vorschrift erst recht zum Tragen kommen, wenn eine jedenfalls auch dem Arbeitsschutz dienende zwingende Vorschrift, wie die des § 626 BGB, auf den Geschäftsführer einer GmbH unmittelbar anwendbar ist. Randnummer40

Eine analoge Anwendung des Art. 30 EGBGB entspricht dem Bild von der Einheit der Rechtsordnung. Sie korrespondiert insbesondere mit dem Sozialversicherungsschutz, den ein Geschäftsführer wie der Kläger genießt. Sie schützt die Solidargemeinschaft der Versicherten vor einer übermäßigen Inanspruchnahme der Sozialversicherung. Denn die Leistungsfähigkeit der Sozialversicherungen hängt ab von der Anwendbarkeit arbeitsrechtlicher Schutzvorschriften. Bieten diese Vorschriften dem Sozialversicherten keinen Schutz, ist zum Beispiel im Fall ungerechtfertigter Kündigung der Sozialversicherte auf die Arbeitslosenversicherung angewiesen und diese damit zum Nachteil der Solidargemeinschaft der Versicherten belastet. Randnummer41

Eine analoge Anwendung des Art. 30 EGBGB steht auch nicht in Widerspruch zur Rechtswegzuständigkeit der ordentlichen Gerichte und fehlenden Anwendbarkeit von § 4 KSchG. Denn anders als das EGBGB enthalten das Arbeitsgerichtsgesetz in § 5 Abs. 1 Satz 3 und das Kündigungsschutzgesetz in § 14 Abs. 1 Nr. 1 spezielle Ausschlussregelungen für das der Organstellung eines GmbH-Geschäftsführers zugrunde liegende Rechtsverhältnis. Dem wiederum entspricht die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, dass § 14 Abs. 1 Nr. 1 KSchG unabhängig davon eingreift, ob das der Organstellung zugrunde liegende Rechtsverhältnis sich materiell-rechtlich als freies Dienstverhältnis oder als Arbeitsverhältnis darstellt (BGH, NJW 2000, 1864, 1865 = WM 2000, 573, 575).

b)

Auch wenn man zugunsten der Beklagten zu 2) unterstellt, dass deren Alleingesellschafterin, die Beklagte zu 1), organschaftlich vertreten wurde durch die Herren F. und R., war die fristlose Kündigung vom 21. Februar 2001 schon deswegen unwirksam, weil die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB nicht gewahrt war. Randnummer43

aa) Nach dieser Vorschrift ist für den Fristbeginn ausschlaggebend, wann der Kündigungsberechtigte von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen Kenntnis erlangt hat. Randnummer44

Bei juristischen Personen ist grundsätzlich die Kenntnis des zur Kündigung berechtigten Organs entscheidend, z.B. für die Kündigung eines GmbH-Geschäftsführers diejenige der Gesellschafterversammlung. Da die Gesellschafterversammlung ein Kollegialorgan ist, das seinen Willen durch Beschlussfassung bilden muss, kommt es für die Wissenszurechnung an die Gesellschaft nur auf die Kenntnis der Organmitglieder in ihrer Eigenschaft als Mitwirkende an der kollektiven Willensbildung an. Kenntnis der GesellschafterBitte wählen Sie ein Schlagwort:
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als kollegiales Beratungs- und Beschlussorgan liegt daher erst dann vor, wenn der für die Tatsachenkenntnis maßgebliche Sachverhalt hinsichtlich der Entlassung des Geschäftsführers einer Gesellschafterversammlung unterbreitet wird (vgl. zu allem BGH, WM 1998, 1537 ff.). Randnummer45

Werden allerdings sämtliche Gesellschaftsanteile der den Geschäftsführer anstellenden GmbH von einem einzigen Gesellschafter gehalten, bedarf es zur organschaftlichen Willensbildung nicht des besonderen Zusammentritts der Gesellschafter. Vielmehr beginnt in diesem Fall die Frist des § 626 Abs. 2 BGB zu laufen, wenn der Alleingesellschafter Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erlangt. Von diesem Zeitpunkt an ist die GmbH durch ihren Alleingesellschafter in der Lage, die nach dessen Ansicht notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Anders als bei der Mehrpersonengesellschaft bedarf es hier zur organschaftlichen Willensbildung nicht des Zusammentritts mehrerer Gesellschafter. Randnummer46

Handelt es sich bei dem Alleingesellschafter um eine juristische Person, kommt es in Konsequenz des zuvor Gesagten für den Beginn der Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB darauf an, wann das für die Kündigung vertretungsberechtigte Organ dieser juristischen Person die maßgebliche Kenntnis erhielt. Dessen Kenntnis muss sich die juristische Person zurechnen lassen. Wird sie durch einen Geschäftsführer organschaftlich vertreten, kommt es daher auf die Person des Geschäftsführers an. Denn anders als in dem Fall, in dem es um die Kündigung des Geschäftsführers der Alleingesellschafterin geht, ist dann, wenn es um die Kündigung des Geschäftsführers der Tochtergesellschaft geht, vom Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Geschäftsführers der Muttergesellschaft an diese als Alleingesellschafterin in der Lage, die nach Ansicht ihres Geschäftsführers notwendigen Konsequenzen zu ziehen. Im Verhältnis der Muttergesellschaft zu dem Geschäftsführer der Tochtergesellschaft ist kündigungsberechtigtes Organ bereits der Geschäftsführer der Muttergesellschaft. Randnummer47

bb) Zur Kündigung vertretungsberechtigte Organe der Beklagten zu 1), der Alleingesellschafterin der Beklagten zu 2), sollen u.a. die Herren F. und R. gewesen sein, die die Kündigung (Anlage K 14) ausgesprochen haben. Geht man von deren Vertretungsmacht aus (ohne Vollmacht wäre die Kündigung schon wegen dieses Mangels unwirksam), kommt es mithin auf den Zeitpunkt an, in dem sie Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erhielten. Da die Kündigung vom 21. Februar 2001 datiert, wäre die Zweiwochenfrist des § 626 Abs. 2 BGB keinesfalls mehr gewahrt, wenn die Kenntniserlangung vor dem 7. Februar 2001 erfolgte. Dass F. und R. Kenntnis von den für die Kündigung maßgebenden Tatsachen erst in der Zeit ab dem 7. Februar 2001 erhielten, ist aber unter Berücksichtigung des eigenen Vortrages der Beklagten und des hierauf aufbauenden Bestreitens des Klägers schon nicht dargelegt. Gleiches gilt für eine Kenntnisnahme anderer – nach dem Berufungsvorbringen der Beklagten (BB S. 10 f. = Bl. 261 f. GA) – alleinvertretungsberechtigter Organe der Beklagten zu 1). Randnummer48

Die Beklagte zu 2) hat zunächst vorgetragen, die fristlose Kündigung beruhe darauf, dass der Kläger am 6. und 14. Dezember 2000 einen ungenehmigten Kredit an die K. GmbH und im Januar 2001 einen solchen an die R. GmbH ausgereicht habe; ihr Geschäftsführer G. habe hiervon erst am 15. Februar 2001 Kenntnis erhalten und daraufhin die Beklagte zu 1) informiert (Schriftsatz vom 27. Juli 2001, S. 8 f. = Bl. 88 f. GA, in Verbindung mit dem Schriftsatz vom 16. August 2001, Bl. 93 f. GA). Mit Schriftsatz vom 29. November 2001, Seite 4 = Bl. 163 GA, haben die Beklagten ihr Vorbringen dahin ergänzt, dass das board der Beklagten zu 1) bereits im Dezember 2000 an der Kompetenz des Klägers und des Mitgeschäftsführers B. Zweifel gehegt habe. Deshalb hätten sich F. und R. nach Deutschland begeben. Anschließend seien der Kläger und B. durch das board der Beklagten zu 1) darüber informiert worden, dass Herr G. als neuer Geschäftsführer eingesetzt werde. Grund hierfür sei gewesen, dass die „Risikopolitik“ u.a. des Klägers für die Beklagte zu 1) „nicht mehr tragfähig“ gewesen sei. Anfang des Jahres 2001 seien dann bei der Beklagten zu 1) anlässlich einer Kreditprüfung 23 ungenehmigte Kreditarrangements gefunden worden. Randnummer49

Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 21. Januar 2002, S. 13 f., 16 = Bl. 196 f., 199 GA, das Vorbringen der Beklagten aufgegriffen, wonach das board der Beklagten zu 1) schon im Dezember 2000 seine, des Klägers, und des Mitgeschäftsführers B. vermeintliche „Risikopolitik“ zum Anlass genommen habe, einen neuen Geschäftsführer einzusetzen. Demnach seien die maßgeblichen Kündigungsgründe der Beklagten zu 1) bereits zu diesem Zeitpunkt und damit weit mehr als zwei Wochen vor Ausspruch der fristlosen Kündigung bekannt geworden. Randnummer50

Insbesondere weil die Beklagte zu 1) nach ihrem eigenen Vorbringen die Geschäftsführung des Klägers bereits im Dezember 2000 als „nicht mehr tragfähig“ angesehen hat, zudem „Anfang des Jahres 2001“ 23 ungenehmigte Kreditarrangements entdeckt haben will und der Kläger vor diesem Hintergrund bestritten hat, dass die Beklagte zu 1) für die Kündigung maßgebende Tatsachen erst innerhalb der Zweiwochenfrist erfahren hat, hätte näher dargelegt werden müssen, welches konkrete, die fristlose Kündigung vermeintlich rechtfertigende Fehlverhalten des Klägers den Herren F. und R. oder anderen kündigungsberechtigten Organen der Beklagten zu 1) erst in der Zeit ab dem 7. Februar 2001 bekannt geworden ist. An der konkreten zeitlichen Zuordnung nach Dezember 2000 etwa neu gewonnener Erkenntnisse zu einem angeblichen, die fristlose Kündigung vermeintlich rechtfertigenden konkreten Fehlverhalten des Klägers fehlt es aber. Die Behauptung in den Schriftsätzen vom 27. Juli/16. August 2001, Herr G. habe erst am 15. Februar 2001 von den ungenehmigten Krediten an die K. GmbH und die R. GmbH Kenntnis erhalten und daraufhin die Beklagte zu 1) hierüber informiert, ersetzt angesichts der im weiteren Schriftsatz vom 29. November 2001 von den Beklagten selbst vorgetragenen Vorgänge im Dezember 2000 und des Aufgreifens dieses Vorbringens durch den Kläger im Schriftsatz vom 21. Januar 2001 den notwendigen konkreten Sachvortrag nicht. Dabei kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass die Tatsachen, die nach dem eigenen Vorbringen der Beklagten dem board der Beklagten zu 1) spätestens im Dezember 2000 bekannt geworden waren, diesem Gremium immerhin ausreichten, um den Kläger als „nicht mehr tragfähig“ anzusehen und sich für die Bestellung eines neuen Geschäftsführers zu entschließen. Hinzu kommt, dass nach dem unbestritten gebliebenen Vortrag des Klägers im Schriftsatz vom 3. Dezember 2001, S. 11 f. = Bl. 181 f. GA, die Beklagte zu 1) nicht zuletzt durch Herrn R. ab Herbst 2000 in die Abwicklung der Auszahlungen an die Geschäftspartner der Beklagten zu 2) eingebunden war. Diese Einbindung, die – möglicherweise im Zusammenhang damit – bis Dezember 2000 gewonnenen Erkenntnisse von dem Geschäftsgebaren des Klägers, die noch im Dezember 2000 getroffenen Maßnahmen und selbst die Auszahlungen an die R. GmbH im Januar 2001 lagen sämtlich vor dem 7. Februar 2001. Randnummer51

Die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die Kenntnisnahme von den die Kündigung veranlassenden Tatsachen erst innerhalb der Zweiwochenfrist erfolgte, trägt die Beklagte zu 2) (vgl. BAG, BB 1975, 1017). Randnummer52

Obwohl der Kläger erstinstanzlich wiederholt auf die Verfristung der Kündigung hingewiesen hat und dieser Punkt auch im Senatstermin erörtert worden ist, haben die Beklagten ihr Vorbringen hierzu nicht ergänzt. Auf die Frage, ob ergänzender Vortrag im Berufungsverfahren angesichts der Regelung des § 531 Abs. 2 ZPO überhaupt noch zugelassen werden könnte, kommt es nicht mehr an. Randnummer53

Wenn die Beklagte zu 2) die Einhaltung der Frist des § 626 Abs. 2 BGB hinreichend dargelegt hätte, wäre die Urkundenklage im tenorierten Umfang gleichwohl begründet, weil die Beklagte zu 2) den ihr obliegenden Beweis nicht mit im Urkundenprozess zulässigen Beweismitteln angetreten hat (§ 598 ZPO). Etwaige Unterschiede in der Rechtskraftwirkung bedürfen an dieser Stelle keiner Erörterung.

5.

Ist die fristlose Kündigung als unwirksam anzusehen, hat der Kläger grundsätzlich Anspruch auf Zahlung der vereinbarten Vergütung. Dem steht nicht entgegen, dass er die vereinbarten Dienste nicht leistete. Denn die Beklagte zu 2) befand sich mit der Annahme der Dienstleistung des Klägers in Verzug (§ 615 BGB). Schon dadurch, dass die Beklagte zu 2) den Kläger als Geschäftsführer abberufen hatte, ist sie in Annahmeverzug geraten, ohne dass es hierzu noch eines Dienstleistungsangebotes des Klägers bedurfte (§§ 293, 296 BGB). Unabhängig von einer Erkrankung des Klägers lag es nun an der Beklagten, jenem eine vertragsgemäße Tätigkeit anzubieten (vgl. nur BAG, NJW 1995, 2653 f.). Weil der Anstellungsvertrag fortbestand, mit dem der Kläger als Geschäftsführer eingestellt worden war, hatte die Beklagte zu 2) dem Kläger eine Stellung anzubieten, die der dienstvertraglich vorgesehenen Stellung als Geschäftsführer im Rahmen der nunmehr noch bestehenden Möglichkeiten möglichst nahe kam (vgl. BGH, WM 1966, 1968, 1969). Dass die Beklagte zu 2) dem Kläger jemals nach der Kündigung eine in diesem Sinne vertragsgemäße Tätigkeit angeboten hat, wird jedoch nicht einmal behauptet. Randnummer55

Zu zahlen hat die Beklagte zu 2) damit dem Kläger grundsätzlich das vereinbarte Entgelt. Der vereinbarte Auszahlungsbetrag belief sich brutto auf 29.351.29 DM (Anlage K 9 = Bl. 41 GA) zuzüglich je hälftiger Kranken- und Pflegeversicherungskosten in Höhe von zusammen 480,20 DM, insgesamt mithin auf 29.831,49 DM (die Differenz zu den geltend gemachten 30.234,69 DM in Höhe von 403,20 DM resultiert daraus, dass der Kläger die Kosten der Kranken- und Pflegeversicherung zu 100 % verfolgt, versehentlich aber mit 883,40 DM statt 2 . 480,20 DM = 960,40 DM rechnet.) Randnummer56

Eingeklagt ist die Vergütung für die Monate März 2001 bis Februar 2002, mithin für zwölf Monate, was einen Gesamtbetrag in Höhe von 12 . 29.831,49 DM = 12 . 15.252,60 € = 183.031,20 € ergibt.

6.

Der Kläger muss sich grundsätzlich dasjenige anrechnen lassen, was er infolge des Unterbleibens der Dienstleistung erspart oder durch anderweitige Verwendung seiner Dienste erworben oder zu erwerben böswillig unterlassen hat (§ 615 Satz 2 BGB). Ein tatsächlicher anderweitiger Erwerb ist nicht ersichtlich. Die Darlegungs- und Beweislast tragen die Beklagten (vgl. Palandt/Putzo, a.a.O. § 615 Rdnr. 19 a.E.). Randnummer58

Im Ergebnis unschädlich ist es auch, dass der Kläger sich darauf beschränkt hat, sich zur Arbeit bereit zu halten. Dabei kommt es nicht einmal darauf an, ob dieses Verhalten angesichts des vorliegenden Rechtsstreits überhaupt als böswillig zu bewerten ist (bei einem Dauerarbeitsverhältnis für die Dauer eines Kündigungsschutzprozesses in der Regel verneinend Palandt/Putzo a.a.O. Rdnr. 20). Denn jedenfalls kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass in einem konjunkturschwachen Zeitraum wie dem streitbefangenen sowie angesichts des schwebenden Rechtsstreits und seiner umstrittenen Hintergründe der Kläger keine realistische Chance hatte, eine – gemessen an der Tätigkeit bei der Beklagten zu 2) – ähnliche Anstellung zu finden.

7.

Der zuerkannte Zinsanspruch folgt aus §§ 284 Abs. 2 Satz 1, 288 BGB in der bis zum 31. Dezember 2001 geltenden Fassung. Randnummer60

Das Zahlungswesen haben die Parteien nach Maßgabe deutschen Rechts abgewickelt, wie die Gehaltsabrechnungen (Anlagen K 8 und K 9) zeigen. Dem kann entnommen werden, dass jedenfalls auch die Folgen unpünktlicher Zahlung nach deutschem Recht zu beurteilen sein sollen. Randnummer61

In Verzug geriet die Beklagte zu 2) mit Ablauf des Zahltages, wobei § 193 BGB zu berücksichtigen ist.

III.

Die Kosten sind entsprechend § 92 ZPO zu verteilen, wobei das geringfügige Unterliegen des Klägers im Verhältnis zur Beklagten zu 2) entsprechend § 92 Abs. 2 ZPO unberücksichtigt bleiben kann. Randnummer63

Die Entscheidungen zur vorläufigen Vollstreckbarkeit finden ihre Grundlage in §§ 708 Nr. 10, 709 Satz 2, 711; 108 ZPO. Randnummer64

Die Ausführung ihrer Rechte ist der Beklagten zu 2) gemäß § 599 Abs. 1 ZPO vorzubehalten. Randnummer65

Der Streitwert für das Berufungsverfahren und die Beschwer des Klägers betragen 185.505,02 €. Die Beschwer der Beklagten zu 2) beträgt 183.031,20 €. Randnummer66

Die Revision wird im Hinblick auf die analoge Anwendung des Art. 30 EGBGB auf einen Anstellungsvertrag mit einem Fremdgeschäftsführer einer GmbH zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

Schlagworte: Abberufung des GmbH-Geschäftsführers und Beendigung des Anstellungsvertrags, Abschluss und Kündigung von Geschäftsführeranstellungsverträgen, Anhörung vor Abberufung, Außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages, Beendigung des Anstellungsvertrages, Beendigung des Anstellungsvertrags aus wichtigem Grund, Beginn der Zweiwochenfrist nach § 626 BGB, BGB § 626, BGB § 626 Abs. 2 Satz 2, Darlegungs- und Beweislast, Darlegungs- und Beweislast für das Vorliegen eines wichtigen Grundes, Duldung Pflichtwidrigkeiten Duldung des pflichtwidrigen Handelns, Erlangung der Kenntnis durch das Gremium, Fristbeginn bei pflichtwidrigem Dauerverhalten, für als auch die gegen die Kündigung sprechenden Umstände, Gesellschafterversammlung kennt die für die Kündigung wesentlichen Tatsachen, Hemmung bei Ermittlungen über den Kündigungssachverhalt, Kenntnis vom pflichtwidrigen Handeln, Kenntnis vom wichtigen Grund, Kenntnis vom wichtigen Grund bei Bestellung, Kündigung des Anstellungsvertrags aus wichtigem Grund, Maßgeblicher Kenntnisträger, Mitgesellschafter haben am Verhalten des Betroffenen längere Zeit keinen Anstoß genommen, unangemessene Verzögerung der Einberufung der Gesellschafterversammlung, Verwirkung, Verwirkung der Abberufung aus wichtigem Grund, Verwirkung des Widerrufs, Wegfall wichtiger Grund durch Zeitablauf, Wissenszurechnung Organ, Zeitablauf wichtiger Grund, Zeitfaktor wichtiger Grund