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OLG München, Urteil vom 15.05.2013 – 7 U 3261/12

zweiwöchige Ausschlussfrist

ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1, BGB § 626Bitte wählen Sie ein Schlagwort:
BGB
BGB § 626
Abs. 2, GmbHG§ 46 Nr. 5

1. Eine Bindung an die Feststellungen des ersten Rechtszugs gem. ZPO § 529 Abs. 1 Nr. 1 liegt nur dann nicht vor, wenn konkrete Anhaltspunkte für fehler- oder lückenhafte Feststellungen bestehen und durch diese konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen begründet werden. Derartige Zweifel liegen vor, wenn eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass bei Wiederholung der Beweisaufnahme die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt.

2. Die ist nicht der Fall, wenn das Erstgericht unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben aufgrund freier Beweiswürdigung gemäß § ZPO § 286 zu den Tatsachenfeststellungen gelangt ist, d.h. dass es lediglich an Denk- und Naturgesetze, an Erfahrungssätze sowie ausnahmsweise an gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. Daher darf es auch einem Zeugen glauben, obwohl objektive Umstände Zweifel an der Richtigkeit seiner Angaben begründen mögen, oder trotz widersprüchlicher Aussagen von Zeugen und/oder Sachverständigen eine Beweisbehauptung als bewiesen erachten.

3. Die zweiwöchige Ausschlussfrist des § 46 Nr. 5 GmbHG für die fristlose Kündigung beginnt in dem Zeitpunkt, in welchem der Kündigungsberechtigte Kenntnis von dem Kündigungsgrund erlangt hat. Kündigungsberechtigter beim Dienstvertrag des Geschäftsführers einer GmbH ist analog § 46 Nr. 5 GmbHG die Gesellschafterversammlung. Maßgeblich ist die Erlangung der Kenntnis durch das GremiumBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Erlangung der Kenntnis durch das Gremium
Kenntnis
. Erlangt allerdings ein einzelnes Mitglied die Kenntnis der Kündigungsgründe, so hat es unverzüglich binnen eines angemessen kurzen Zeitraums eine Gesellschafterversammlung (unter Angabe der Gründe) einzuberufen. Dann beginnt die Zweiwochenfrist mit Ablauf des angemessen kurzen Zeitraums.

Tenor

1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Landgerichts München I vom LGMUENCHENI 27.6.2012 (Az.: 35 O 18003/11) wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Dieses Urteil und das angegriffene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des gegen sie vollstreckbaren Betrages abwenden, sofern nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

A. Der Kläger macht Ansprüche im Zusammenhang mit der Beendigung seiner Geschäftsführertätigkeit bei der Beklagten geltend.

Die Beklagte ist eine hundertprozentige Tochter der A. Beteiligungs- und Wirtschaftsdienst GmbH (im Folgenden: BuW), welche wiederum eine hundertprozentige Tochter des A. e.V. (im folgenden: A. ) ist. Ferner war die BuW zu 95 Prozent an der A. Y. Y. Hizmetleri Ticaret A.S. (im folgenden: AST), einer Aktiengesellschaft türkischen Rechts beteiligt. Die AST betrieb die Auslandsnotrufstationen des A. in der Türkischen Republik. Der Kläger war seit dem Jahr 2000 als Geschäftsführer der Beklagten bestellt und hatte mit ihr einen entsprechenden Geschäftsführerdienstvertrag geschlossen. Nach der internen Geschäftsverteilung des A. -Verbundes war der Kläger für die Geschäftseinheit „Mobilitätsmanagement“ zuständig; dazu gehörten unter anderem die Auslandsnotrufstationen und folglich auch die Betreuung der AST. Zu diesem Zweck war der Kläger seit April 2008 zum Vorstandsmitglied und zweiten Geschäftsführer (nach türkischem Recht) der AST bestellt. Die AST geriet 2009/10 in wirtschaftliche Schieflage und meldete am 1.12.2010 Insolvenz an.

Die Interne Revision des A. beauftragte das Wirtschaftsprüfungsunternehmen KPMG mit der Untersuchung der zur Insolvenz der AST führenden Vorgänge. In einer Besprechung vom 14.1.2011, an der die Geschäftsführer der BuW teilnahmen, berichtete die Leiterin der Internen Revision über die vorläufigen Ermittlungsergebnisse der KPMG. Der endgültige Bericht der KPMG wurde unter dem 15.2.2011 vorgelegt. Ferner existiert ein Abschlussbericht der Internen Revision des A., der nach dem Vortrag der Beklagten am 26.4.2011 fertig gestellt wurde und den Geschäftsführern der BuW frühestens am 27.4.2011 zur Kenntnis gelangte.

Am 8.2.2011 führte der Zeuge W., damals Mitglied der Geschäftsführung der BuW und des Vorstandes des A. und konzernintern der Vorgesetzte des Klägers, mit diesem ein Mitarbeitergespräch zum Zwecke der Ermittlung der Jahresprämie des Klägers für 2010. Dabei sollte bewertet werden, zu welchem Grad der Kläger die vorher vereinbarten Jahresziele erreicht hatte. Das Gespräch ist in Anlagenkonvolut K 11 dokumentiert.

Die Gesellschafterversammlung der Beklagten (bestehend aus den beiden Geschäftsführern der BuW als Alleingesellschafterin der Beklagten) beschloss am 19.4.2011 die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer zum 1.5.2011 (Anlage K 3). Mit Schreiben vom 20.4.2011 (Anlage K 2) kündigte die Beklagte, vertreten durch die beiden Geschäftsführer der BuW, den Geschäftsführerdienstvertrag mit dem Kläger ordentlich zum 31.12.2011. Am 28.4.2011 wurde der Kläger zum 1.5.2011 von seiner Dienstleistungspflicht freigestellt (Anlage B 1). Mit Schreiben vom 9.5.2011 (Anlage K 4) kündigte die Beklagte, wiederum vertreten durch die beiden Geschäftsführer der BuW, den Dienstvertrag mit dem Kläger fristlos.

Der Kläger hat beantragt,

(1) die Beklagte zur Zahlung von 22.000,- € brutto nebst Zinsen zu verurteilen (Jahresprämie für 2010);

(2) die Beklagte zur Zahlung von 88.851,38 € brutto nebst gestaffelten Zinsen zu verurteilen (rückständige Vergütung bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist);

(3) die Beklagte zur Zahlung von 6.922,35 € brutto nebst gestaffelten Zinsen zu verurteilen (Nutzungsausfall des klägerischen Dienstwagens);

(4) die Beklagte zur Zahlung von 1.196,43 € nebst Zinsen zu verurteilen (vorgerichtliche Rechtsverfolgungskosten);

(5) festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger aus der fristlosen Kündigung vom 9.5.2011 entstandene und noch entstehende Schäden zu ersetzen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Das Landgericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme des Zeugen Wunderlich im Termin vom 14.3.2012. Hinsichtlich des Inhalts der Zeugenaussage wird auf die Sitzungsniederschrift (Bl. 194 ff. der Akten) Bezug genommen.

Das Landgericht hat der Klage in Höhe von brutto 20.800,- € nebst Zinsen (Jahresprämie 2010), brutto 86.810,60 € nebst gestaffelten Zinsen (rückständiges Gehalt) und 1.196,43 € nebst Zinsen (Rechtsverfolgungskosten) stattgegeben. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen. Auf Tatbestand und Entscheidungsgründe der angegriffenen Entscheidung wird Bezug genommen.

Der Kläger nimmt die Teilabweisung seiner Klage hin. Mit ihrer zulässigen, insbesondere form- und fristgerecht eingelegten und begründeten Berufung begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage auch im Übrigen.

B.

Die Berufung der Beklagten erweist sich als unbegründet. Dem Kläger stehen die Jahresprämie für 2010 (dazu unten I.), rückständige Vergütung (dazu unten II.) und die Erstattung vorgerichtlicher Kosten (dazu unten III.) in der vom Landgericht zuerkannten Höhe zu.

I.

Zu Recht hat das Landgericht dem Kläger eine Jahresprämie in Höhe von 20.800,- € nebst Zinsen zuerkannt.

1. Nach § 3 Ziff. 3 des Geschäftsführerdienstvertrags zwischen den Parteien (Anlage K 1) hat der Kläger grundsätzlich Anspruch auf eine Jahresleistungsprämie. Diese beträgt nach der Gehaltsanpassung 2006 (Anlage K 11) 20.000,- € bei einem Zielerreichungsgrad von 100%, bis zu 24.000,- € bei einem Zielerreichungsgrad von 120% und 0,- € bei einem Zielerreichungsgrad von bis zu 80%.

2. Der Kläger hat im Jahr 2010 einen Zielerreichungsgrad von über 100 Prozent erzielt, so dass ihm eine Jahresprämie im Korridor zwischen 20.000,- € und 24.000,- € zusteht. Dies hat das Landgericht zu Recht der Aussage des Zeugen W. entnommen. Die gegen die Beweiswürdigung des Landgerichts gerichteten Angriffe der Berufung der Beklagten greifen nicht durch.

Denn hierdurch werden keine konkreten Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen begründet, die deshalb eine erneute Feststellung gebieten könnten (§ ZPO § 529 Abs. ZPO § 529 Absatz 1 Nr. ZPO § 529 Absatz 1 Nummer 1 ZPO). Das Berufungsgericht ist grundsätzlich nach § ZPO § 529 Abs. ZPO § 529 Absatz 1 Nr. ZPO § 529 Absatz 1 Nummer 1 ZPO an derartige Feststellungen des ersten Rechtszugs gebunden. Diese Bindung gilt ausnahmsweise nur dann nicht, wenn konkrete Anhaltspunkte für fehler- oder lückenhafte Feststellungen bestehen und durch diese konkreten Anhaltspunkte Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen begründet werden.

Derartige Zweifel liegen vor, wenn eine gewisse, nicht notwendig überwiegende Wahrscheinlichkeit dafür besteht, dass bei Wiederholung der Beweisaufnahme die erstinstanzlichen Feststellungen keinen Bestand haben werden, sich also deren Unrichtigkeit herausstellt (vgl. Thomas/Putzo/Reichold, ZPO, 32. Aufl., § 529 Rz. 1 – 3; BGH, NJW 2004, NJW Jahr 2004 Seite 2825). Letzteres ist nicht der Fall, wenn das Erstgericht unter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben aufgrund freier Beweiswürdigung gemäß § ZPO § 286 ZPO zu den Tatsachenfeststellungen gelangt ist. Diese Vorschrift fordert den Richter auf, nach seiner freien Überzeugung zu entscheiden. Das bedeutet, dass er lediglich an Denk- und Naturgesetze, an Erfahrungssätze sowie ausnahmsweise an gesetzliche Beweisregeln gebunden ist, ansonsten aber die im Prozess gewonnenen Erkenntnisse nach seiner individuellen Einschätzung bewerten darf. Daher darf er auch einem Zeugen glauben, obwohl objektive Umstände Zweifel an der Richtigkeit seiner Angaben begründen mögen, oder trotz widersprüchlicher Aussagen von Zeugen und/oder Sachverständigen eine Beweisbehauptung als bewiesen erachten (zu alledem vgl. Zöller/Greger, ZPO, 29. Aufl., § 286 Rz. 13).

Das Landgericht hält sich bei der Bewertung der Aussage des von ihm vernommenen Zeugen W. im Rahmen der ihm gemäß § ZPO § 286 ZPO hierzu eingeräumten freien Überzeugung, ohne hierbei gegen die Grundsätze der Beweiswürdigung verstoßen zu haben. Der Senat hält eine Wiederholung der Beweisaufnahme deshalb hier nicht für veranlasst. Das Landgericht hat seine Überzeugungsbildung in hinreichender und nachvollziehbarer Weise dargestellt. Das Erstgericht war auch nur gehalten, die für seine Entscheidung maßgebenden Erwägungen darzulegen, die nach Auffassung des Senats die Entscheidung auch tragen.

Der Zeuge W. hat zunächst angegeben, dass er bei dem Beurteilungsgespräch vom 8.2.2011 zur Ermittlung des Zielerreichungsgrades das A. -interne, an sich zur Beurteilung von Tarifmitarbeitern gedachte Famos-System zugrunde gelegt habe, um die Beurteilung auf eine objektive Basis zu stellen. In der Vergangenheit sei hingegen der Grad der Zielerreichung allein Sache der Absprache zwischen der Führungskraft und dem jeweiligen Vorgesetzten gewesen. Diese Aussage lässt – mit dem Landgericht – folgenden Schluss zu: Da der Zeuge konzernintern Vorgesetzter des Klägers war, hat er letztlich die in der Vergangenheit liegende Praxis nicht konstitutiv geändert; nach wie vor war der Zielerreichungsgrad Sache der individuellen Absprache zwischen ihm und dem Kläger, nur dass er und der Kläger diese Absprache auf der Basis des Famos-Systems trafen. Einer Änderung des Geschäftsführerdienstvertrags zwischen den Parteien bedurfte dies nicht. Die Berufung der Beklagten auf die Schriftformklausel im Geschäftsführerdienstvertrag geht daher fehl. Ebenso wenig bedurfte es insoweit einer Entscheidung der Gesellschafterversammlung der Beklagten analog § GMBHG § 46 Nr. GMBHG § 46 Nummer 5 GmbHG. Aus der Aussage des Zeugen ergibt sich eindeutig, dass es nach der konzerninternen Handhabung seine Aufgabe als Vorgesetzter des Klägers war, im Einvernehmen mit dem Kläger den Zielerreichungsgrad festzulegen.

Aus der Aussage des Zeugen und der schriftlichen Dokumentation des Gesprächs vom 8.2.2011 (Anlage K 11) ergibt sich auf der Basis des Famos-Systems ein Zielerreichungsgrad des Klägers von 2,4. Dies entspricht dem Prädikat „Ziel überschritten“, also einem prozentualen Grad von mehr als 100 Prozent. Dies ergibt sich nicht nur aus der insoweit eindeutigen Aussage des Zeugen W., sondern auch aus dem Rundschreiben der Leiterin des Personalmanagements des A. an die Führungskräfte vom 14.1.2011 (ebenfalls Anlage K 11). Hiernach reicht das Prädikat „Ziel überschritten“ von 2,2, bis 2,9. Die Behauptung der Beklagten, der vom Kläger erreichte Zielerreichungsgrad von 2,4 bedeute „Ziel nicht erreicht“ bzw. 60%, ist daher eindeutig widerlegt.

3. Danach steht dem Kläger eine Prämie von mehr als 20.000,- € bis maximal 24.000,- € zu. Der Zeuge W. hat insoweit angegeben, dass der genaue Betrag in einem Gespräch zwischen ihm und dem Kläger hätte festgelegt werden sollen, wozu es nicht mehr gekommen sei. Das Landgericht hat zu Recht ausgeführt, dass das Unterbleiben des weiteren Gesprächs nicht zulasten des Klägers gehen kann, der einen Anspruch darauf hat, dass die vertraglich vereinbarte Prämie auch den vertraglich Vereinbarungen gemäß festgesetzt wird. Dem Kläger stehen daher 20.000,- € plus X zu. Das Landgericht hat X plausibel mit 800,- € bemessen (2,0 = 100% = 20.000,- €; 4,0 = 120% = 24.000,- €; Differenz 2,0 = 4.000,- €; erreicht 2,4, also 0,4 der Differenz; 0,4 x 4.000,- € = 800,- €).

II.

Dem Kläger steht die vertraglich vereinbarte Vergütung bis Ende Dezember 2011 nebst Zinsen zu. Die fristlose Kündigung vom 9.5.2011 ist unwirksam, so dass der Geschäftsführerdienstvertrag bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist fortdauerte. Dass der Kläger insoweit keine Dienste mehr erbrachte, steht nicht entgegen, da die Beklagte den Kläger freigestellt hatte und sich somit im Annahmeverzug begeben hat (§§ BGB § 615, BGB § 295 BGB). Gegen die Höhe der zuerkannten Vergütung erhebt die Berufung keine Einwände; Rechtsfehler zum Nachteil der Beklagten sind dabei auch nicht ersichtlich

1. Dahinstehen kann letztlich, ob – wie der Kläger meint – die als Annex aus § GMBHG § 46 Nr. GMBHG § 46 Nummer 5 GmbHG folgende Kompetenz der Gesellschafterversammlung der Beklagten (also der beiden Geschäftsführer der BuW) zur Kündigung des Geschäftsführerdienstvertrags durch die Abberufung des Klägers als Geschäftsführer zum 1.5.2011 erloschen ist (wozu der Senat nicht neigt), so dass die Beklagte bei der fristlosen Kündigung vom 9.5.2011 nicht ordnungsgemäß vertreten gewesen wäre. Denn die genannte Kündigung erweist sich jedenfalls aus anderen Gründen als unwirksam.

2. Die fristlose Kündigung scheitert vorliegend, wie das Landgericht zu Recht angenommen hat, an § BGB § 626 Abs. BGB § 626 Absatz 2 BGB. Die Beklagte hat nicht hinreichend dargelegt, dass sie die zweiwöchige Kündigungsfrist ab Kenntnis von den für die Kündigung maßgeblichen Tatsachen eingehalten hätte. Insoweit kann weitgehend auf die zutreffenden Ausführungen des Landgerichts Bezug genommen werden. Lediglich zur Ergänzung und Klarstellung ist noch folgendes auszuführen.

a) Die zweiwöchige Ausschlussfrist beginnt in dem Zeitpunkt, in welchem der Kündigungsberechtigte Kenntnis von dem Kündigungsgrund erlangt hat. Kündigungsberechtigter beim Dienstvertrag des Geschäftsführers einer GmbH ist (bei gleichzeitiger Abberufung als Organ soweit ersichtlich unbestritten) analog § GMBHG § 46 Nr. GMBHG § 46 Nummer 5 GmbHG die Gesellschafterversammlung, also vorliegend die beiden Geschäftsführer der BuW als Alleingesellschafterin der Beklagten. Maßgeblich ist nicht die Kenntnis einzelner Mitglieder der Gesellschafterversammlung, sondern die Erlangung der Kenntnis durch das GremiumBitte wählen Sie ein Schlagwort:
Erlangung der Kenntnis durch das Gremium
Kenntnis
. Erlangt allerdings ein einzelnes Mitglied die Kenntnis der Kündigungsgründe, so hat es unverzüglich binnen eines angemessen kurzen Zeitraums eine Gesellschafterversammlung (unter Angabe der Gründe) einzuberufen. Dann beginnt die Zweiwochenfrist mit Ablauf des angemessen kurzen Zeitraums. Die Einhaltung der Frist des § BGB § 626 Abs. BGB § 626 Absatz 2 BGB steht dabei zur Darlegungs- und Beweislast der Beklagten.

b) Die Beklagte beruft sich darauf, dass die Geschäftsführer der BuW hinreichende Kenntnis von den Gründen, auf die die Kündigung gestützt wurde, erst mit Kenntniserlangung vom Abschlussbericht der Internen Revision des A. frühestens am 27.4.2011 erlangten. Träfe dies zu, wäre die Kündigungsfrist durch die Kündigung am 9.5.2011 gewahrt. Dem gegenüber steht der Kläger auf dem Standpunkt, dass den Geschäftsführern der BuW der gesamte Sachverhalt seit längerem, spätestens seit der Sitzung vom 14.1.2011, an der sie teilnahmen und in der die Leiterin der Inneren Revision über die vorläufigen Ermittlungsergebnisse der KPMG berichtet hat, bekannt gewesen sei. Weder der endgültige Bericht der KPMG vom Februar 2011 noch der Abschlussbericht der Inneren Revision habe grundlegend Neues enthalten. Dies unterstellt, wäre die Kündigung verfristet.

Nach den Grundsätzen der abgestuften Darlegungs- und Beweislast durfte die Beklagte pauschal Kenntniserlangung am 27.4.2011 behaupten und der Kläger dies pauschal mit der Behauptung bestreiten, die erforderlichen Kenntnisse seien schon am 14.1.2011 erlangt worden. Nunmehr wäre die darlegungs- und beweisbelastete Beklagte allerdings gehalten gewesen, die Entwicklung des Kenntnisstandes der Geschäftsführer der BuW konkret vorzutragen, also ob und welche Kenntnisse bereits aus den vorläufigen Ergebnissen der KPMG zu erlangen waren, was der endgültige Bericht der KPMG ergab und welche neuen Erkenntnisse sich aus dem Abschlussbericht der Internen Revision ergaben. Dergleichen ist nicht geschehen. Keiner der drei Berichte wird vorgelegt, es wird auch nicht aus ihnen zitiert oder die Entwicklung des Kenntnisstandes schriftsätzlich dargestellt. Die Beklagte hat daher die von ihr behauptete und vom Kläger bestrittene Kenntniserlangung erst am 27.4.2011 schon nicht schlüssig dargelegt, geschweige denn bewiesen. Daher ist die Kündigung vom 9.5.2011 wegen Verfristung unwirksam.

c) Dem kann die Beklagte nicht entgegen halten, dass die Kündigungsfrist gehemmt sei, solange der Kündigungsberechtigte in gebotener Eile Ermittlungen über den Kündigungsgrund anstellt. Dieser Rechtssatz mag abstrakt richtig sein, wird aber von der Beklagten nicht mit Sachverhalt ausgefüllt. Solange die Beklagte nicht mitteilt, was man schon den vorläufigen Ermittlungsergebnissen der KPMG entnehmen konnte und was nicht, lässt sich nicht beurteilen, ob überhaupt weitere Ermittlungen erforderlich waren. Und war dies nicht der Fall, scheidet eine Fristhemmung ohnehin aus.

d) Der Senat folgt der Beklagten nicht darin, dass es für den Fristbeginn generell nicht auf den Kenntnisstand des (hierzu von der Beklagten nicht benannten und vom Landgericht hierzu auch nicht vernommenen) Zeugen Wunderlich ankäme. Solange er einer der Geschäftsführer der BuW und damit Mitglied der Gesellschafterversammlung der Beklagten war (wann genau er abberufen wurde, wird nicht mitgeteilt), ist sein Kenntnisstand mit maßgeblich; am 14.1.2011 dürfte er noch bestellt gewesen sein, da er noch im Februar 2011 das Mitarbeitergespräch mit dem Kläger führte.

Dabei kann dahinstehen, ob vorheriges kollusives Zusammenwirken des Alleingesellschafters der Beklagten (BuW in Person des Zeugen) mit dem Kläger im Zusammenhang mit den Vorgängen um die AST den Kenntnisstand des Zeugen entwerten würde oder ihn sich die Beklagte dennoch zurechnen lassen müsste. Denn ein solches kollusives Zusammenwirken im Sinne einer vorsätzlichen Schädigung ist nicht dargetan. Vielmehr lässt sich dem Beklagtenvortrag diesbezüglich nur entnehmen, dass der Zeuge die von der Beklagten für verfehlt gehaltenen (dazu unten B.III.3.a.) geschäftlichen Entscheidungen des Klägers im Hinblick auf die AST für richtig gehalten bzw. mitgetragen hat. Dass der Zeuge und der Kläger dabei einvernehmlich und wider besseres Wissen zum Nachteil der Beklagten oder des A. zusammenwirkten, ergibt sich daraus nicht.

3. Ohne dass es noch darauf ankäme oder der Vertiefung bedürfte, bestehen nach Auffassung des Senats weitere Unwirksamkeitsgründe für die fristlose Kündigung vom 9.5.2011.

a) Es fehlt schon an einem Kündigungsgrund nach § BGB § 626 Abs. BGB § 626 Absatz 1 BGB. Weder die von der Beklagten herangezogenen Kündigungsgründe jeweils für sich noch ihre Gesamtschau rechtfertigen die Annahme, dass es der Beklagten unzumutbar gewesen wäre, den Kläger bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist weiter zu beschäftigen. Die Vorwürfe beziehen sich weitgehend auf ein (aus der Sicht der Beklagten) Missmanagement bzw. eine unglückliche Handhabung der zur Insolvenz der AST führenden Umstände. Unglückliches Geschäftsgebaren eines Managers mit Organstellung ist häufig das Motiv für seine Abberufung und ordentliche Kündigung, rechtfertigt aber in aller Regel nicht die fristlose Kündigung, zumal im vorliegenden Fall, der sein Gepräge auch durch die langjährige Tätigkeit des Klägers im A.-Verbund, den nur acht Monate bevorstehenden Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist und das Alter des Klägers, der es schwer haben wird, wieder eine adäquate Führungsposition zu finden, erhält. Unter Gesamtschau der Umstände war der Beklagten daher eine Weiterbeschäftigung des Klägers bis zum Ablauf der ordentlichen Kündigungsfrist zuzumuten.

b) Im Übrigen ist der Senat der Auffassung, dass der fristlosen Kündigung eine AbmahnungBGB § 314 Abs. BGB § 314 Absatz 2 BGB) vorauszugehen gehabt hätte, da sich die Kündigung primär auf angebliches klägerisches Fehlverhalten stützt. Eine so schwerwiegende Störung der Vertrauensgrundlage zwischen den Parteien, die eine Abmahnung entbehrlich erscheinen lassen würde (§§ 314 Abs. 2 S. 2, 323 Abs.2 Nr. BGB), sieht der Senat nicht.

III.

Zu Recht hat das Landgericht die geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten (gegen deren Höhe sich die Berufung nicht wendet) unter dem Gesichtspunkt des § BGB § 280 Abs. BGB § 280 Absatz 1 BGB zugesprochen. Durch die unberechtigte fristlose Kündigung hat die Beklagte ihre Pflichten aus dem Geschäftsführerdienstvertrag zwischen den Parteien verletzt. Hierdurch sind die geltend gemachten vorgerichtlichen Kosten entstanden. Entgegen der Auffassung der Berufung war der Kläger nicht gehalten, sich auf ein Klageverfahren verweisen zu lassen, sondern durfte eine außergerichtliche Klärung der Angelegenheit versuchen und kann die hierdurch entstandenen Kosten erstattet verlangen.

C.

Die Kostenentscheidung folgt aus § ZPO § 97 Abs. ZPO § 97 Absatz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ ZPO § 708 Nr. ZPO § 708 Nummer 10, ZPO § 711 ZPO.

Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe (§ ZPO § 543 Abs. ZPO § 543 Absatz 2 ZPO) nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordern die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Die Problematik der Jahresprämie betrifft einen Einzelfall. Die zu § 626 Abs. 2 aufgeworfenen Fragen sind höchstrichterlich geklärt.

Schlagworte: Abberufung des GmbH-Geschäftsführers und Beendigung des Anstellungsvertrags, Abberufung durch Gesellschafterversammlung, Abschluss und Kündigung von Geschäftsführeranstellungsverträgen, Anstellungsvertrag, Außerordentliche Kündigung des Anstellungsvertrages, Beendigung des Anstellungsvertrages, Beendigung des Anstellungsvertrags aus wichtigem Grund, Beginn der Zweiwochenfrist nach § 626 BGB, BGB § 626, BGB § 626 Abs. 2 Satz 2, Erlangung der Kenntnis durch das Gremium, GmbHG § 46, GmbHG § 46 Nr. 5, Kenntnis der Gesellschaft, Kenntnis der Gesellschafter, Kenntnis vom pflichtwidrigen Handeln, Kenntnis vom wichtigen Grund, Klage der Geschäftsführer gegen Kündigung des Anstellungsvertrages, Maßgeblicher Kenntnisträger, positive Kenntnis von Pflichtwidrigkeit, Verwirkung, Verwirkung der Abberufung aus wichtigem Grund, Verwirkung des Widerrufs